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Tag der Phantasie

Vor einiger Zeit habe ich auf YouTube Ambiente Sounds für mich entdeckt. Das sind Videos, meist mit einem sehr kitschigen Standbild (oder schlimmer noch, animierten Bewegungen), aber wunderbarer Geräuschkulisse. Sie sind wie eine Eintrittskarte in eine fremde Welt. Da gibt es zum Beispiel Lagerfeuer an einem See. Man hört die Nachtgeräusche, das Quaken von Fröschen und das Knistern des Feuers. Oder es gibt Geräusche aus einer kleinen, privaten Bibliothek im viktorianischen England. Bücherrascheln, Feuerknistern (das ist irgendwie immer dabei), das prasseln von Regen gegen die Scheiben. In einer Szene hört man sogar Sherlock Holmes im Nachbarzimmer Geige spielen.

Immer mal wieder nutze ich diese kleinen Ausflüchte, wenn ich nicht weg kann. Dann spiele ich, wie ich es früher als Kind getan habe. Ich setze mich an meinen Schreibtisch, räume alles weg, was ich nicht für meine aktuelle Arbeit brauche und dann begebe ich mich für ein paar Stunden in ein Privathaus in England und arbeite in einem der Schreibstuben.

Wenn ich Nachts mal nicht schlafen kann, dann öffne ich das Fenster, decke mich bis zur Nasenspitze zu und höre dem Lagerfeuer und dem Pfeifen des Windes in den Bergen zu, während meine Gedanken zu dem morgigen Abenteuer wandern, dass ich als unerschrockene Reisende in den Bergen wohl erleben werde.

Am Anfang der Bibel steht, dass Gott den Menschen nach seinem Bild erschuf. Wir haben einen unfassbar kreativen Gott. Unsere Welt ist so vielseitig, unterschiedlich, sich ständig neu entfaltend. Jeder Sonnenaufgang ist anders und betrachtet man die Welt als Ganzes, dann geht immer irgendwo gerade die Sonne auf. Aber wie unterschiedlich ist es, wenn sie in Deutschland aufgeht, in Neuseeland, im Kongo oder im Norden Grönlands. Gott ist so vielseitig. Und uns hat er einen Geist gegeben, der ebenso kreativ sein kann. Wir können Dinge erfinden, uns vorstellen. Wir können in Sekundenschnelle innerlich an fremde Orte reisen oder diese entstehen lassen. Wenn man Kindern, vor allem kleinen Kindern, beim Spielen zusieht, dann merkt man, dass Phantasie und Wirklichkeit sogar verschwimmen können. Dass die inneren Bilder so stark werden können, dass sie für ein reales Spiel mehr als ausreichen.

Ich bin Gott so dankbar für diese Möglichkeiten der inneren und äußeren Vielfalt. Ich bin so dankbar, dass jeder von uns seine eigene Phantasie hat, sie ausprobieren und mit ihr gestalten darf. Innerlich – nur für sich. Oder äußerlich – um sie mit anderen zu teilen.

Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung.

Eugène Ionesco

Hiermit beantrage ich einen Tag der Phantasie.

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