alltägliches,  Gedankenflug

Winterlicht

Draußen ist es kalt. Richtig kalt. Dem neuen Jahr scheint eingefallen zu sein, dass es mit dem Winter beginnt und legt sich bei uns mächtig in’s Zeug. Leider nicht mit Schnee. Aber mit Minustemperaturen, Nebel, Raureif auf den Gräsern und Bäumen und mit pastellfarbenem Himmel, sollte er denn mal hell werden.

Meine Auszeit tat so gut. Und sie war lang. Ich habe jeden Tag genossen. Das Treffen mit Freunden, die langen Spaziergänge, die Woche am Meer und die Stunden auf der Couch bei gedimmten Licht und Kerzen. Inzwischen ist die Weihnachtsdeko wieder abgebaut. Die freie Zeit ist vorbei, das Leben nimmt Fahrt auf. Doch es fällt mir schwer in Schwung zu kommen. Eigentlich seltsam, schließlich sollte ich doch vor Energie förmlich glühen.

Normalerweise strotzt mein Januar von guten Vorsätzen und Projektideen. Herrlich unrealistisch aber trotzdem inspirierend. Und wenn dann nur einer der Vorsätze hängen bleibt, feiere ich mich schon wild. Dieses Jahr ist es anders. Ruhiger irgendwie. Keine neuen Projekte.

Wenn die Bibel recht hat, dann gibt es für alles eine Zeit. Und bei mir scheint gerade eine Zeit für das Innere anzustehen. Vielleicht der letzte Frost vor dem inneren Frühling? Vielleicht doch erst die Mitte vom Winter, von Ruhe und Einkehr. Früher hätte ich das als Bedrohung empfunden. Ich wollte immer inneren Sommer: Wachstum, reife Früchte, funkensprühendes Leben.
Jetzt sitze ich hier, mit Tee und schaue über das Wolkenmeer, das sich unter mir in’s Remstal kuschelt.

Innerer Winter ist gar nicht schlimm. Wurzeln ausbilden, die Kraft auf den inneren Wachstum lenken. Mit Jesus langsam und Stück für Stück die inneren Zimmer abgehen und ein bisschen sortieren. Über manche Erinnerung leise lachen, herumalbern, weinen. Loslassen und abgeben oder behalten.

Es tut mir gut den Zustand der eigenen Seele neugierig zu akzeptieren. Anstatt genervt darauf zu bestehen, dass es doch eigentlich anders sein müsste.

Das Leben nimmt trotzdem Fahrt auf. Aber noch bin ich gelassen. Versuche (einmal mehr) zu begreifen, dass man ohnehin nur an einem Ort gleichzeitig sein kann. Und wenn man da eh schon ist, kann man sich dort auch investieren. Die Seele und Gedanken gleichzeitig noch an drei andere Orte zu schicken und die Sorgen und emotionalen Situationen dieser Orte alle gleichzeitig zu tragen, macht nur krank.

Oder, um aus einem meiner Urlaubsbücher zu zitieren (frei aus meinem Gedächtnis):

„Wenn Sie vor einer Tür stehen und warten, stehen Sie vor einer Tür und warten.

Wenn Sie sich mit Ihrer Frau streiten, streiten Sie sich mit Ihrer Frau.

Das ist Achtsamkeit.

Wenn Sie vor einer Tür stehen und warten und sich dabei in Gedanken noch mit Ihrer Frau streiten, dann ist das nicht achtsam, dann ist das einfach nur blöd.“

(Achtsam Morden von Karsten Dusse. Buchempfehlung für alle mit Sinn für und Spaß am pechschwarzen Humor.)

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen gesegneten Start in’s Neue Jahr. Und den Mut die Jahreszeit zu erforschen und zu genießen, in der ihr gerade steckt.

2 Comments

  • Antschana

    Ah, so gut, liebe Tine!! Mein Begriff fürs neue Jahr ist ’sinking deep‘. Seit der Adventszeit versinke ich in meinem nach außen so farblosen Alltag und finde so bunte Schätze im Hier&Jetzt vergraben.
    Vielleicht können wir uns mal wieder treffen und gemeinsam vor der Tür stehen und warten… 😉

  • Tine

    Oh liebe Antschana! Du bist selbst ein so bunter Schatz. Leuchtend und wunderbar. Es ist schön dich zu kennen. Ja, hoffentlich bekomme ich es endlich bald hin zu dir zu kommen.

    Fühl dich umarmt.

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