alltägliches

Zirkeltraining

Nach einigen Wehwehchen, die mich schließlich Anfang des Jahres an Krücken brachten, begann der Ärzte- und Therapeuthenmarathon. Einen Kernspin und mehrere Untersuchungen später steht fest: Entzündung auf Kniehöhe, Ursache unbekannt. „Gehen Sie mal zum Physiotherapeuten.“ Ich bin nicht begeistert. Aber Hauptsache es wird besser. Aber dann ist die Physiotherapeutin doch sehr nett und auch noch kompetent. Nach dem ersten Betasten meines Beines und meiner Bänder rutscht ihr jedoch der Begriff ‚lommelich‘ heraus. Lommelich! Ich frag erst gar nicht weiter nach.

Kurz vorher hatte ich mir im Urlaub eine Rippe verklemmt. Der Physio, der sie mir wieder frei geknetet hat, meinte etwas spitz, dass so etwas nicht passiert wäre, wenn wenigstens „ein kleines bisschen Muskulatur im Rücken“ gewesen wäre. Herzlichen Dank.

Lommeliche Bänder, schwacher Rücken…vielleicht sollte ich doch mal was tun.
Mein Entschluss steht nun fest: ich werde das langweiligste und erniedrigendste aller Trainings beginnen: Fitnessstudio. Zirkeltraining.

Ich entscheide mich für ein nahe gelegenes Studio. Die haben gerade auch noch einen Sonderrabatt: der erste Monat gratis mit Sonderkündigungsrecht, falls das Studio und ich keine Freunde werden. Wunderbar, nehm ich.

Das Studio ist in einem riesigen Gebäudekomplex, mit noch größerem Parkplatz. Ich fahre mit meinem Wagen bis knapp vor die Eingangstür, parke dann aber um und stelle mich ans andere Ende. Schließlich macht mir der Weg nichts aus, ich laufe gern. Ich bin Sportler. Inzwischen sogar ohne Krücken. Den Weg bereue ich dann doch. Es ist knüppelheiß und die Sonne knallt erbarmungslos auf den Parkplatzasphalt.

Zeitgleich mit zwei anderen Leuten in Trainingskleidung erreiche ich die Eingangstür zum Treppenhaus. Links der Aufzug, geradeaus die Treppe.
Aufzug! Also bitte! Wir steuern die Treppe an, alle drei. Das Mädel ist vor mir, der junge Mann hinter mir.
Sekunden später ist ihr durchtrainierter Po auf meiner Augenhöhe. Siedend heiß wird mir bewusst, dass mein, in Sportleggins gepackter Hintern, auf Augenhöhe des Jungen hinter mir ist. Hätte ich nur den Aufzug genommen.

Das Fitnessstudio ist gerade nicht gut besucht. In dem riesigen Raum befinden sich nur an die fünfzehn Menschen. Junge Menschen. Sehr junge Menschen. Ich bin offensichtlich die Alterspräsidentin. Und auch noch am schlechtesten angezogen. Nervös zupfe ich das T-Shirt weiter nach unten, während ich mich zum Probetraining melde.

Die Einführung in das Zirkeltraining macht dann ein Trainer meines Alters. Sehr sympathisch. Und es kommt noch eine Mutter dazu, die den Kilos den Kampf angesagt hat. Schlagartig fühle ich mich wohler: eine Verbündete. Nach der ersten Runde wünscht uns der Trainer viel Glück und wir trainieren wir allein weiter. Während ich stoisch meine 15 Wiederholungen mit niedrigem Gewicht absolviere, betrachte ich die Leute im Raum.

Überwiegend sind es Männer, die an den Freihanteln trainieren und die zu 2/3 aus Oberkörper bestehen. Das Mädchen von der Treppe ist auf dem Stepper. Immer wieder wirft sie einen unsicheren Blick in die allgegenwärtigen Spiegel. Trainiert dann nur umso verbissener.

Am liebsten möchte ich zu ihr hingehen und möchte ihr sagen, dass sie schön ist. Dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht, nicht attraktiv zu sein. Dass sie ihre Jugend genießen soll. Dass sie im Bikini mit Sicherheit bezaubernd aussieht und doch bei dieser Hitze einfach mit ihren Freundinnen schwimmen gehen soll.

Und zu den Männern möchte ich sagen, dass mich ihre Stärke beeindruckt. Nicht nur die offensichtliche, die in keine T-Shirtärmel mehr passt. Ich habe längere Zeit mit jungen Erwachsenen gearbeitet, überwiegend Männern. Und ich habe eine Generation kennengelernt, die nach außen hin oft oberflächlich wirkt. Nach innen aber eine Leidenschaft und tiefe Sehnsucht für Familie und Freundschaft hat. Nach Verbundenheit. Die gerne Schutz bieten und Verantwortung übernehmen würden, würde man es ihnen nur zutrauen.

Mein dritter Zirkel ist beendet. Die Frau, die mit mir trainiert hatte, ist inzwischen gegangen. Ich habe es nicht einmal mitbekommen. Ich bin durchgeschwitzt und fühle mich nun gut genug, mir das restliche Studio zu

begutachten. Schweißflecke bedeuten schließlich: ich gehöre zum Rudel. Es gibt verschiedene Areale. Sogar ein Areal, in dem alles aus Holz ist. Erinnert mich ein bisschen an Montessori. Irgendwie nett. Und es gibt eine ‚Mineralbar‘ mit kostenfreien Getränken. Daneben ein Kaffeeautomat. Der Trainer taucht auf und erklärt mir, dass ich eine Kaffee-Flatrate zubuchen könne. In meinem Kopf formt sich das Bild, wie ich morgens Kaffee trinkend und Bibel lesend in der ‚Lounge‘ (nennt man doch so, oder?) statt auf meinem Sessel sitze um hinterher auf dem Blog zu verkünden, dass zu der neuen Morgenroutine nun auch eine Stunde Aufenthalt im Fitnessstuio gehört. Ich muss grinsen, was der Trainer als vorläufigen Vertragsabschluss deutet. Ich muss ihn erstmal bremsen. Ich fürchte vom Kaffeetrinken wird mein lommeliches Knie nicht besser. Nicht mal wenn ich den Kaffee in schweißeliger Atmosphäre genieße. 

Ich gehe in die Umkleide, beschließe bei alle den Spiegeln aber dann doch zu Hause zu duschen. Vielleicht sollte ich das, was ich dem Mädel sagen wollte, doch zuerst einmal mir selbst sagen. 

Zu Hause verkrümle ich mich auf die Couch und überlege, ob ich das wirklich will. Will ich da mehrmals die Woche hin? Möchte ich mich dem Körperkult aussetzen? Ein klares: Nein. Andererseits: wir sollen unseren Körper achten und für ihn sorgen. Er ist unser „Zelt“, in dem wir leben, so lange wir hier auf der Erde sind. Und ich habe mein Zelt sträflich vernachlässigt. Da sind inzwischen ein paar Heringe locker und ein paar Nähte krachen. 

Es ist oft ein schmaler Grat zwischen Körperkult und einer gesunden Selbstfürsorge. Ich hoffe, dass ich die Balance werde halten können. Andererseits habe ich Jesus so erlebt, dass er sich sehr deutlich meldet, wenn irgendetwas an seinem Thron sägt. Wir haben ja glücklicherweise einen leidenschaftlichen und eifersüchtigen Gott. Keinen gleichgültigen oder beleidigten. Also habe ich nun beschlossen diesen Weg so lange zu gehen, bis ich wieder fit bin. 

Und Jesus muss mit. 🙂 

9 Comments

  • christina

    Liebe Tine! Auf die Gefahr hin., dass ich dich hier mit meinen Kommentaren zuspame: ICH LIEBE WIE DU SCHREIBST!!! Dienstag ist jetzt ein Tag auf den ich mich total freue!!! DANKE. WUnderbare Gedanken. Wunderbar aufgeschrieben. Ach und ich bin ganz weit weg von einem Fitnesstudio und trotzdem: ich versuche mein „Zelt“ auch ein bisschen zu pflegen. Babyschritte:-). Segensgrüße zu dir!!!!

  • Katrin

    Fitnesstudios sind schon eine Sache für sich. Kann sehr gut nachfühlen, wie unwohl du dich bei deinem ersten Besuch gefühlt hast. Aber insgesamt wird es deinem Rücken und Knie bestimmt gut tun. Also durchhalten! Liebste Grüße!

  • Gernot

    Wie Du weisst kann ich mit Fitnessstudios nichts anfangen. Es ist alles so gezwungen. Man trainiert, um seinen Körper einem – wie auch immer gearteten – Idealbild anzugleichen.
    Viel besser für’s Gemüt: Such Dir eine Sportart, die Dir Spass macht und anders als Joggen nicht nur einseitig die Beine trainiert. Das Ganze in einem Sportverein mit Gleichgesinnten. Fit wirst Du ganz von alleine, wenn es Dir Freude macht, diesen Sport zu betreiben.
    Und als positiver Nebeneffekt ist es nicht nur billiger sondern Du triffst auch noch nette Menschen – und bist ihnen nicht durch das gemeinsame sich quälen sondern durch gemeinsame Freude an der gleichen Sache verbunden.

  • die Vorgärtnerin

    In meinem Fitnessstudio nur für Frauen gibt es nur im Kursraum eine Spiegelwand, im Zirkel kein einziges Spigelscherbchen.
    Eine sehr gute Idee der Macherinnen, find ich.
    Und auch, halt keine Männer rein zu lassen.
    Das ist nicht nur für unsere Fitness gut, sondern auch für den Umgangston, das Wohlbefinden, es gibt weniger Vergleiche, Sprüche — und mehr Türkinnen!
    Vielleicht solltest du dich danach mal umgucken. Erleichtert manchmal vieles, keine Männer dabei zu haben 😀

    p.s.: bei uns heißt lommelich fast genauso, nur mit a: lammelich. Ehrlich geschrieben: ich hab das noch nie geschrieben/gelesen. Reisen bildet! Selbst die Reise durch die Blogosphäre.

    p.p.s.: ich bin kein Roboter. Gibt es eigentlich Roboterinnen?

  • Elke

    Ich versuche mein Zelt auch wieder mehr zu pflegen, ich fahre mit dem Rad zur Arbeit, morgens um 6 Uhr und muss dann natürlich mit dem Rad zurück und ich genieße es, die Felder, den Morgennebel, weniger die Autos an mir vorüberziehen zu lassen und ich fühle mich fitter und freier.
    Viel Vergnügen dir beim Zeltpflegen!
    Elke

  • Susanne

    Hallo Tine,
    mache seid einem guten Jahr freeletics – kannst mal googeln. Sehr geringer Zeit- und Kostenaufwand, sehr effektiv, aber man braucht Disziplin – von nichts kommt nichts 🙂
    Lieber Gruß Susanne

  • Nic

    Hey Tine, schreib mir mal wohin du gehen wirst. Ich brauche auch wieder Sport. Ich überlege nächstes Jahr zu Rudern. Für den Winter evtl. Fitnessstudio. LG Nicola

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