
Schlechter Start
Donnerstag, vor einer Woche…
06:05 Uhr
Die letzten Tage waren so schwül, dass es Nachts nur mit geöffneten hoffentlich-zieht‘s-durch-Fenstern auszuhalten ist. Das macht das Schlafen angenehmer, aber das Aufwachen laut. Heute ist es ein Presslufthammer vorm Haus…oder irgendetwas in dieser Richtung.
Etwas drückt auf die Stimmung und ich durchforste mein noch traumweiches Gehirn, was los sein könnte. Ah ja, da ist es: Ein ebay-Einkauf gestern Abend. Größerer Betrag. PayPal anmelden heute. Wollte ich doch eigentlich nie. Hoffentlich war das kein Fehler einen gebrauchten Laptop zu kaufen. Was wenn er eine schwerwiegende Macke hat? Aber gebraucht ist viel günstiger als neu. Und mein PC schmiert langsam ab. Ich will doch auch weiterhin Blog schreiben.
06:10 Uhr
Panik.
06:11 Uhr
Ich breche meine goldene Regel (Keine Kommunikationstechnik vor 9 Uhr morgens) und greife direkt nach dem Handy. What’sApp. Gernot ist wach und ansprechbar. Gernot ist immer wach und ansprechbar. Er ist der Mensch für alles was mit Blog, Technik und Internet zu tun hat. Und mit Medizin. Heute brauche ich den Technik-Gernot.
Ich schicke konfuse Nachrichten an ihn und stehe dann auf.
06:14 Uhr
Mein Mann fängt das wild gewordene Huhn, das einmal seine Frau war, irgendwo im Flur ein, schafft es ins Wohnzimmer und versorgt‘s mit Kaffee. Gernot ruft an.
06:20 Uhr
Achim ist Richtung Arbeit aufgebrochen, das Telefonat ist beendet. Ich setze mich an den PC und kümmere mich, mit Knoten im Bauch, um das Einrichten der Konten, die Bezahlung und beantworte gleich ein paar Mails – wo ich schon mal am Rechner bin.
08:00 Uhr
Eine leise Melodie vom Telefon reißt mich aus meiner Arbeit und erinnert mich daran, dass nun eine Zeit ist, in der ich kreativ sein darf. „Blog Zeit“ steht auf dem Display. Entsetzt starre ich auf die Uhr. Hatten wir nicht eben erst kurz nach sechs? Ich hatte noch kein Frühstück; noch keine Zeit mit Gott. Und ich sehe aus wie ein angefahrener Igel.
08:03 Uhr
Würde diesen Tag am liebsten an den Nagel hängen, bis morgen durchschlafen und dann nochmal von vorn anfangen. Mein Terminplaner teilt mir mit, dass ich das vergessen kann. Aber eine Stunde bleibt mir noch. Also öffne ich meinen altersschwachen Laptop, setze mich, des Akkus zuliebe, neben die Steckdose und tippe ein paar Zeilen für den Blog.
Wer den Artikel vom Frühstück gelesen hat, weiß ja: ich mag es, morgens meine Ruhe zu haben und die erste Zeit vom Tag eben nicht zu arbeiten, zu planen oder zu organisieren. Sondern sie mit meiner Bibel und meinem Notizbuch auf dem Sessel zu verbringen. Nicht erreichbar zu sein, nicht unterbrochen zu werden. Ich liebe es, mir morgens die Zeit im Bad zu nehmen. Und seit neuestem eine Stunde jeden Morgen, in der ich schreiben darf.
Dann erst starte ich in den Arbeitstag.
Soweit zur Theorie.
Tage wie heute sind zwar die Ausnahme, aber irgendwie sind sie es auch wieder nicht. Diese Stunden am Morgen bedeuten mir viel. Sie bedeuten vor allem, dass ich mir das zugestehe, was ich brauche, damit ich das geben kann, was gebraucht wird. Aber diese Zeit jeden Tag frei zu halten, ist ein Kampf. Denn es will sich immer irgendetwas reindrängen, was scheinbar wichtiger oder dringender ist.
Sei es die Küche, die nach einem abendlichen Gemeindemeeting aussieht wie nach nem Bombeneinschlag – noch schnell aufräumen, dann könnte ich meine Kreativzeit entspannter verbringen. Oder sei es der Mailaccount, von dem ich weiß, dass am Vorabend noch wichtige Mails eingegangen sind, die ich gerne vorher kurz beantworten würde – einfach damit es erledigt ist und ich mich besser auf Gott konzentrieren kann. Oder sei es Pinterest, wo ich nur zu gerne versacke, das ich aber doch gerne nur mal eben öffne, um mich mit einem schönen Bild und einem motivierenden Spruch auf den Tag einzustimmen. Oder sei es das Bett, von dem ich mich partout nicht lösen kann.
Aber ich weiß, dass es mir auf die Füße fallen wird, wenn ich diesen drängelnden oder scheinbar angenehmeren Dingen nachgebe. Selbst eine Stunde länger schlafen, eine perfekt geputzte Küche oder ein leeres Mailpostfach, ersetzen nicht diese Zeit am Morgen. In der ich atmen darf und um meiner selbst Willen geliebt werde. Keine noch so früh abgearbeitete ToDo Liste kann mir die Gewissheit geben, dass ich Zeit und Kraft auch an den richtigen Stellen einsetze. Dazu brauche ich die Ruhe am Morgen und die Zeit die Antwort auf die Frage zu hören: „Wo möchtest du mich heute haben, Jesus? Was ist heute wichtig?“ Nur leider wird mir das oft erst dann wieder bewusst, wenn ich diese Zeit geopfert habe.
Heute Morgen war’s so. Um den Laptop und um PayPal hätte ich mich auch ab neun Uhr kümmern können. Das Problem hätte sich bis dahin nicht in Luft aufgelöst, sondern auf mich gewartet, ich bin mir sicher ;-).
Nun gut. Wieder ein Baustein im Ich-lern-das-schon-noch-Kasten. Aber wenigstens kam dieser Text hier dabei raus. Und Morgen früh ist ein komplett neuer Tag.

2 Comments
Vera
Liebe Tine,
bin über Christina auf Deinen tollen neuen Blog aufmerksam geworden und merke auch bei Dir, wie Du mir teilweise total aus dem Herzen schreibst. Auch ich merke, wie leicht es immer wieder passiert, dass man sich diese wertvolle Auszeit am Morgen rauben lässt und einfach in den Tag reinstolpert oder sie schnell abhakt mit Bibel lesen und Kurzgebet ohne dabei wirklich zur Ruhe zu kommen und auf Gott zu hören und dennoch: Es ist Gottes Gnade, die uns hilft, gerade da immer wieder neu aufzustehen, wo wir schon so oft versagt haben und Gottes Geist, der in uns die Sehnsucht wachhält, bei ihm Zuflucht zu suchen, manchmal dann eben erst später am Tag, doch jeder Augenblick bietet uns neu die Möglichkeit für gute Entscheidungen. Auch ich lerne immer mehr, dass der Tag nach einem holprigen Start nicht unbedingt gelaufen ist. Krone richten und weitergehen 🙂 Auf jeden Fall ist ein vorbildlicher Grundsatz schonmal, offline zu starten. Auf Deinen ausgemisteten Kleiderschrank bin ich ehrlich gesagt auch neidisch. So ziemlich der einzige Bereich, in dem mir Minimalismus noch schwerfällt 😉
Tine
Liebe Vera,
vielen Dank. Ja, du hast so recht, dass ein holperiger Start noch keinen schlechten Tag machen muss. Das ist ein Punkt, der mir oft noch soo schwer fällt. Nicht am Mittag alles hinzuwerfen, weil bis dahin nichts lief, sondern auf Gott zu sehen und weiter zu machen und den Tag noch umzudrehen. Möglichkeiten zu nutzen.