alltägliches,  Kleine Abenteuer

Real nach draußen. Mit Natur und so.

In einem Seelsorgeseminar sagte der Dozent: „Reale Entspannung findet man nicht in einer virtuellen Welt.“ Der Satz ist mir hängen geblieben. Ich bin ein virtuell-entspanner, das muss ich leider zugeben. Sobald ich eine kurze Pause habe, geht mein Griff zum Smartphone und ich öffne fast automatisch den Messenger, Pinterest und YouTube. (Meist genau in dieser Reihenfolge.)

Außerdem bin ich ein Ästhetik-Junkie. Ich mag die liebevoll aufgenommenen Vlogs von Frauen, die aus ihrem Leben berichten und ich mag schöne Fotos. Dabei ist es mir egal ob auf dem Foto ein dekorierter Esstisch abgebildet ist oder ein vom Zelteingang aus aufgenommenes Bergpanorama im Morgenlicht. Oft verliere ich mich in solchen Fotos, bekomme Fernweh oder Lust meine Wohnung zu dekorieren. Der Frust bleibt natürlich nicht aus, denn meine Dekoversuche wollen so gar nicht die Qualität erreichen, die mir Pinterest als normal spiegelt. (Von Instagram halte ich mich wohlweislich fern, das wäre der Untergang meines emotionalen Gleichgewichts.)
Dennoch mag ich die Bilder und komme immer wieder zu ihnen zurück. Und ja…ich genieße das. Auch wenn es mich innerlich oft ein wenig unruhig macht, ich gönne es mir. Doch richtig entspannen? Nein, eher nicht. Zumindest nicht in dem Maße, wie ich Entspannung bräuchte.

Die letzten Wochen waren gespickt mit Feiertagen, die so günstig lagen, dass sich das ein oder andere verlängerte Wochenende rausholen ließ. Da mein Mann nette Kollegen hat (die alle Kinder haben und somit dankbar sind, wenn mein Mann in den Schulferien die Stellung im Büro hält), konnten wir die Brückentage voll ausschöpfen. Wir waren im Schwarzwald und dort zu Fuß unterwegs. Ich bin Jesus so dankbar, dass mein Bein gehalten hat. Ich konnte tatsächlich wandern gehen. Über Felsen klettern, die Füße ins kalte Wasser hängen und auf Felsvorsprüngen mit ausgebreiteten Armen „Ich bin die Königin der Welt“ rufen. (Von sehr kleinen Felsvorsprüngen, denn ich hab Höhenangst). Wir waren am Schluchtensteig unterwegs, eine Wanderung, die ich mir seit Jahren wünsche, die wir aber nie in Angriff genommen haben.

Mit den Bildern von Pinterest im Kopf startete ich die Tour. Und war…enttäuscht. Es waren einige Menschen unterwegs, also nichts mit wilder Einsamkeit (klar, schönes Wetter und verlängertes Wochenende, da will jeder raus). Die Schnappschüsse, die Achim und ich von uns gemacht haben, reichten bei Weitem nicht an das Bildmaterial heran, das ich vom Internet her gewohnt war. Meine Enttäuschung wuchs. Heimlich, im Unterbewusstsein. Mit sehr realen Auswirkungen auf meine Stimmung. Es dauerte einige Stunden (!), bis ich merkte was los war.

Mein Mann hat diese Pinterest-Prägung nicht. Auf einem Felsvorsprung (deutlich höher, da keine Höhenangst) stehend seufze er stattdessen glücklich: „Gott ist doch ein Künstler.“ Dieser Satz holte mich in die Realität zurück. Wir sind umgeben von so viel Schönheit. Alles ist frühlingsgrün, in der Schlucht gluckst die Wutach (ich liebe das Geräusch von Wasser). Wir hatten schon einen herrlichen Wasserfall gesehen an diesem Tag. Ich kann mich bewegen und bin gesegnet mit einem Körper, der mich durch diese Schlucht trägt. Ohne Schmerzen.

Ab da packte ich das Handy weg. Meine Güte, fiel mir das schwer. Es gab kaum noch Fotos. Und auch wenn ich den stillen Wunsch hatte, das meine Augen Fotos machen könnten, habe ich die Zeit doch einfach nur genossen. Atmen, Farben sehen, Geräusche hören. Am Ende vom Tag in der Ferienwohnung den Blütenstaub aus den Haaren waschen und erschöpft und glücklich, mit platt gelaufenen Füßen, auf die Couch fallen.

Nach diesen Tagen war mein Akku aufgeladen. Die Gedanken wurden ruhiger, die Lebensneugier größer.

Ich weiß, dass es mir besser geht, wenn ich meine freie Zeit draußen verbringe. Nicht nur der Psyche geht es besser. Auch meinem Körper tut die Bewegung gut. Kopfschmerzen lassen nach, ich bin wacher und die Gelenke hören auf zu knacksen. Und nun, wo ich wieder gehen kann, will ich diese Freiheit, die ich früher als normal (manchmal sogar als lästig) angesehen habe, mehr nutzen. Dennoch geht es mir oft so, dass ich lieber in Youtube versacke, als mir die Schuhe anzuziehen und für eine halbe Stunde über die Felder zu schlendern. Der Schweinehund geht nicht gern Gassi.

Aber wenn ich es lernen will auf mich selbst zu achten und für mich zu sorgen, dann werde ich mehr Entspannung in der realen Welt suchen müssen. Auch wenn der Schweinehund erstmal jammert.

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