Lobpreisgabe
Die letzten Tage waren sehr warm und die drückende Schwüle hat sich in dem Gemeinschaftsraum unterm Dach festgesetzt. Die Fenster zur schattigen Rückseite des Gebäudes sind offen und eine erste kühle Abendbrise weht herein. Kurz überlege ich, mich umzusetzen, weg aus der Mitte des Raumes und hin zu den Fenstern. Aber das Rauschen des Wildbachs, der hinterm Haus vorbei schießt, setzt sich sogar gegen die beiden e-Gitarren durch. Wenn ich mich heute auf den Lobpreis konzentrieren will, sollte ich Ablenkungen meiden. Wasser ist für mich eine riesen Ablenkung. Ist es möglich ein Lieblingselement zu haben? Dann ist meins das Wasser. Obwohl…Luft ist auch ganz arg toll. Wind macht glücklich…glücklicher als Wasser…?
Wo war ich…Ach ja, Lobpreisabend, Dachzimmer, Gitarren.
Seit drei Tagen sind wir hier auf unserer jährlichen Gemeindefreizeit. Es kommt mir viel länger vor. Das Haus ist voll. Voll mit wunderbaren Menschen. Voll mit Leben, mit Kindern und mit…laut. Mir war natürlich klar, dass Menschen laut sein können, aber ich hatte vergessen WIE laut. Vor allem dann, wenn gut die Hälfte davon (kleine) Kinder sind, die in der abgeschiedenen Herberge einmal nach Herzenslust miteinander toben dürfen.
Jetzt ist schon Samstagabend. Ich schaue in die Runde aus vertrauten Gesichtern und muss lächeln. Es kristallisiert sich heraus, wer von den Leuten extrovertiert ist und in der Gegenwart von Menschen auftankt und wer zu den introvertierten gehört, die Gemeinschaft zwar genießen, aber zum Regenerieren ‚Alleine-Zeit‘ bräuchten. Es sind einige müde Gesichter um mich herum und auch ich gehöre dazu. Meine Spannkraft hat seit Mittwochabend merklich nachgelassen und ich frage mich, ob ich in diesem Zustand überhaupt fähig bin anzubeten. Oder ob ich einfach ins Bett gehen sollte.
Dann erklingen die ersten Akkorde. Ich sitze nahe bei den Musikern, schließe die Augen. Ich versuche Gedanken wie „Ob ich wohl gerade sehr zerrupft aussehe? Ob ich einen komischen Gesichtsausdruck habe? Singe ich zu falsch und stört das jemanden?“ auszublenden und einfach nur da zu sein. Ich will mich auf Jesus konzentrieren. Doch meine Gedanken schwirren und kurz habe ich etwas Panik. Denn ich weiß wie viele Lieder gespielt werden und ich befürchte, dass es für meinen erschöpften Kopf nicht ausreicht in die nötige Konzentration zu kommen. Ich gebe mein Bestes.
Die geplanten Lieder hätten nicht gereicht. Doch die Jungs an den Instrumenten hören nicht auf zu spielen. Auch nicht, als sie alle vorbereiteten Lieder durch haben. Sie machen einfach mit anderen Liedern weiter. (Was für Lobpreisleiter gar nicht so einfach ist, habe ich mir sagen lassen.)
Und dann passiert es. Endlich löst sich etwas in mir. Mir wird es halbegal, wie ich wohl nach außen hin wirke und ob mein Gesinge schräg klingt. Auch den anderen scheint es so zu gehen, denn etwas ändert sich. Wir werden lauter, klingen mutiger, echter. Gemeinsam klingen unsere Stimmen anders als allein. So als hätten wir nicht nur persönliche Stimme, sondern auch eine gemeinsame als Gemeinde. (Wer schon einmal auf einem Konzert war, kennt das.) Wenn ich mich konzentriere leuchten aus dieser einen neuen Stimme immer wieder einzelne Stimmen meiner Freunde hervor. Sie sind mir so vertraut.
Draußen dämmert es, hier drinnen ist Gemeinde. Die Texte der Lieder werden zu Gebeten, getragen durch die Musik. Ich will nicht aufhören zu anzubeten. Es fühlt sich an, als hätte ich lange Durst gehabt und nun würde mir endlich jemand eine Flasche mit Wasser an die Lippen halten. Ich halte die Flasche krampfhaft fest und will nicht, dass sie mir wieder weggenommen wird. Ich spüre die Abhängigkeit von den Lobpreisleitern da vorne, davon, dass sie weiter machen und mir helfen. Und sie machen weiter. Ich trinke und trinke. Bis der Durst nachlässt. Bis ich mich zufrieden zurücksinken lasse und die Augen öffne. Draußen ist es Nacht. Ich sehe in leuchtende Gesichter. Und in müde Gesichter. Die letzten Töne verklingen. Ich hatte mich ganz auf Jesus konzentriert, doch was ich gesehen habe, ist seine Gemeinde. All diese wundervollen Menschen.
An diesem Abend habe ich neu erlebt, was Gemeinde sein kann. Weit weg von unseren Unterschieden und kleinen Reibereien, die es bei uns genau so gibt, wie überall anders, wo Menschen aufeinander treffen.
Gemeinsam auf Jesus sehen, sich verlieren dürfen, ohne sich dabei aufgeben zu müssen. Sich von Menschen dienen zu lassen, die von Gott begabt sind.
Als ich gerade aufstehe und gehen will, bekomme ich die Reflektion der Lobpreiser mit, die kurz kritisch über einige falsche Akkorde oder Rhythmusschwierigkeiten diskutieren. Ich muss grinsen und bekomme zum ersten Mal ein Gespür dafür, wie wenig Perfektion und Heiligkeit miteinander zu tun haben. Heiligkeit, einzig beeinflusst von der Motivation und der Herzenshaltung, nicht vom Ergebnis. Hoffentlich kann ich mir diese Erkenntnis behalten, wenn das nächste Mal mein Dienst und meine Gaben gefragt sind.
Danke Gemeinde für die schöne Zeit mit euch.
3 Comments
Becky
Oh ja, es war wunder-wunder-wundervoll mit Euch allen und ja, der Samstag Abend war besonders…
Da ich zu den „Extros“ gehöre, hätte ich noch viel länger bleiben können und bin erst mal in ein Loch gefallen und musste ein paar Tränchen vergießen, weil die Zeit dieser tollen Gemeinschaft jetzt wieder für 1 ganzes Jahr vorbei ist – und bei mir Zuhause keine 50 Leute um mich herum springen, leben, chillen und toben 😮
Und ausgepackt hab ich erst noch nicht.
Danke für die schöne Zeit, ihr Lieben!!!
Christina
GENAU SO war es. Tage die zeigen….wie wenig Perfektion und Heiligkeit miteinander zu tun haben. Und was für ein wunderbarer Lobpreisabend. DANKE Jesus! ER ist es Wert.
Und Danke Tine für diesen Bericht!
Franz
Es war wunderbar! So schön euch zu haben! 🙂