alltägliches,  Gedankenflug

Ein Zimmer voller Zukunft

Ich sitze auf dem Boden meines Zimmers. Heute habe ich mir frei genommen. Mein Kalender hat es stumm ertragen. Ich habe lange geschlafen. Und danach lag ich noch länger im Bett, hab die Kuscheldecke bis über die Nasenspitze gezogen, gegrinst und mich diebisch gefreut, dass ich so unvernünftig bin und nicht aufstehe.
Erst gegen Mittag bin ich im Schlafanzug in mein Zimmer geschlurft, die dicken Wintersocken an den Füßen. Und hier bin ich noch.

Mit dem neuen Jahr geht auch die Renovierung weiter. In den nächsten drei Wochen ist mein Zimmer dran. Mein Zimmer ist ein ‚Platzhalterzimmer‘. Es sollte vorübergehend meines sein, bis ein kleines Wesen bei uns einziehen und Platz beanspruchen würde. Aber das kleine Wesen kam nicht. Und nun haben wir die schwere Entscheidung getroffen, die Platzhalterzimmer mit seinen zusammengewürfelten Platzhaltermöbeln umzugestalten.

Mein Zimmer wird nun wirklich mein Zimmer. Mit neuer Farbe an der Wand, einem neuen Laminat, Wohlfühlmöbeln und einem Kuschelteppich, in den ich meine nackten Zehen stecken kann. Auch Mamas Sekretär soll hier seinen eigenen Platz bekommen.
Ich freue mich auf mein Zimmer.

Doch davor kommt der schwierige Teil. In diesem Prozess stecke ich nun gerade: Loslassen. Wegräumen. Meine Platzhaltermöbel sind voll mit Dingen, die sich über die Jahre angesammelt haben. Kindheitserinnerungen, Studienrelikte und Zeug, dass ich nur kurz in die Schublade gelegt und später mal durchsehen wollte. Das Zimmer ist voller Kram, den ich nicht brauche (zumindest in den letzten Jahren nicht), den ich aber auf gar keinen Fall weggeben möchte, sobald ich die Schublade aufgezogen und die Dinge angesehen habe. Ungesehen wegwerfen ist allerdings auch keine Alternative, es könnte ja was wichtiges dabei sein.

Ich hole mir einen Kakao, setze mich erneut auf den Boden, ziehe einen Karton aus dem Regal und gehe die Sachen durch. Meine Phase als ich Sticken lernen wollte. Mit Stickrahmen. War nicht so gut. Ein Umschlag mit alten Postkarten von Mama. Ihre zierliche Handschrift trifft mich unvorbereitet. Der Stapel Bücher, der sich hinter einem Korb versteckt hat ist dafür leichter durchsortiert. Im Strickkorb waren die Motten. Gott sei Dank, das ist alles ruiniert und nimmt mir die Entscheidung ab. Müll.
Die Zeit vergeht. Stück für Stück sortiere ich mich durch die Regalreihen. Als das erste von vier Regalen leer ist, bin ich erleichtert und erschöpft.
Im Wohnzimmer wartet das neue Sofa. Ich schlafe ein, nur wenige Minuten nachdem ich mich darauf gekuschelt habe.

Die nächsten Tage werde ich noch mit Ausmisten beschäftigt sein. Ich könnte das auch verschieben. Niemand zwingt mich jede einzelne Schublade durchzugehen. Aber ich möchte, dass mein neues Zimmer mit Dingen gefüllt ist, die zu mir passen. Ich möchte nicht mehr mit Angst kleine Kartons öffnen und befürchten, dass ich ungewollt auf Karten von Mama stoße.

Wie heißt dieser ausgelutschte Spruch: Heute ist der erste Tag vom Rest Deines Lebens.

Ich will nach vorne sehen, mit leichtem Gepäck reisen. Ich möchte, dass ich Dinge besitze, die ich liebe und brauche. Und nicht, dass mich Dinge besitzen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen in meine Schränke geschafft haben.

Es ist erst ein Regal, aber ich fühle mich schon jetzt leichter. Ja, ich freue mich auf mein neues Zimmer. Ein Raum, in den ich mich zurückziehen kann, in dem Jesus wohnen soll und in den ich Freunde einladen kann. Ein Zimmer voller Leben, voller Zukunft.

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