Dreambox
age mir, was hast Du vor mit Deinem einen, wilden, kostbaren Leben?
(Mary Oliver)
Dieses Zitat hängt bei meiner Freundin Christina auf dem Klo. Und zwar direkt auf Augenhöhe, wenn man sitzt. Daher ist es ein Spruch, mit dem ich mehrmals pro Besuch konfrontiert bin, vor allem dann, wenn wir viel Tee trinken.
Sage mir, was hast Du vor mit Deinem einen, wilden, kostbaren Leben?
Die Buchstaben scheinen von innen heraus zu leuchten. So als würden sie sicherstellen wollen, dass ich sie auch wirklich wahrnehme.
Was habe ich vor?
Meine Mama hatte eine Dreambox. Diese Idee hatte sie aus einer Zeitschrift und ich erinnere mich noch an den Tag, als Mama in die Küche kam, eine leere Pralinenschachtel nahm, einen der Aufkleber beschriftete, die sie sonst auf Gefriergut klebte und ihn mittig auf der Schachtel platzierte. Ich erinnere mich an das Leuchten in ihren Augen, das ich bis dahin nur selten gesehen hatte.
„Das ist meine Dreambox.“, erklärte sie meiner Schwester und mir. „Hier sammle ich Geld für meine Träume.“ Wir wollten gleich auch mitmachen, aber entgegen ihrer sonstigen Art lehnte Mama strikt ab. „Das ist meine Dreambox, nicht eure. Ich liebe euch, aber das hier, das mache ich für mich. Wenn ihr eine solche Box haben wollt, dann müsst ihr euch eine eigene machen. Ihr habt Taschengeld, ihr könnt selbst bestimmen, ob ihr das ausgebt oder spart. So mache ich es auch.“
Dann wanderte die Dreambox in den Sekretär und war damit außerhalb unserer neugierigen Reichweite. Mama hat gesammelt und gespart. Und ein paar Kleinigkeiten hat sie sich auch erfüllt. Mal eine Handtasche oder einen Schal. Aber die wirklich großen Dinge, wie eine Fahrt mit den Hurtigruten oder einen Kaffee auf dem Eifelturm, das hat sie nie gemacht. Ihr Tod kam zu früh und hat diese Träume mit sich gerissen.
Ihre Dreambox aus dem Sekretär zu nehmen und das Geld zu erben war eine der härtesten Lektionen meines bisherigen Lebens.
Niemand von uns hat ewig Zeit, zumindest nicht auf dieser Seite der Lebens.
Unabhängig von der Anzahl der Jahre leben die meisten von uns in Umständen, die es uns ermöglichen manche Träume wahr werden zu lassen. Das ist ein Privileg. Dennoch lassen wir oft Zeit verstreichen und verpassen wilde, wunderbare Möglichkeiten. Zumindest ist es bei mir so. Meistens ist es Jesus oder es sind Freunde (oder die Kombi 🙂 ), die so lange an mir ziehen und schieben, bis ich mich traue ein paar Dinge anzupacken. Zum Beispiel diesen Blog.
Für 2019 habe ich mir nun vorgenommen aktiv aus der Komfortzone heraus zu treten. Um mich nicht zu überfordern (denn ich bin ein sehr ängstlicher und sicherheitsbedürftiger Mensch) habe ich den ersten Vorsatz, jeden Monat eine kleine Idee zu verwirklichen, eingekocht zu: einmal im Quartal. Also vier glitzernde Träume zur Realität werden zu lassen. Dass hier sind sie für 2019:
- in das kleine Flugzeug eines Freundes steigen und die Welt von oben sehen (dabei möglichst nicht sterben, nicht spucken und wenig schreien)
- mit dem Rucksack für ein paar Tage auf der schwäbischen Alb wandern gehen, ohne vorher ein Gasthaus zu buchen
- eine Nacht in einem Baumzelt schlafen, dem Rauschen der Bäume zuhören und durch das Moskitonetz hindurch Sterne zählen
- nach Paris fahren und dort einen Kaffee auf dem Eifelturm trinken
Sage mir, was hast Du vor mit Deinem einen, wilden, kostbaren Leben?
3 Comments
Nicola
Das ist so schön, Tine! Vor allemmdie Idee mit dem Kaffee auf dem Eifelturm. LG
Antschana
Oh… erstmal muss ich ein bisschen weinen über deinen berührenden Worten und den Kaffee auf dem Eifelturm… Und dann… ein bisschen lachen, weil ich dich im Flugzeug vor mir sehe, wie du nicht stirbst, nicht spuckst und nur wenig schreist… ha, ha… Und dann… will ich das Licht dieser strahlenden Worte mal das Dunkel meines Herzens ausleuchten lassen und sehen, was dabei zum Vorschein kommt… Das mach ich echt! DAnke dafür!!!
Becky
Liebe Tine, diese Karte berührt auch jedesmal bei mir eine Sehnsucht…
Danke für Deine Geschichte damit. Jetzt wird die Sehnsucht und das berührt werden sicherlich noch zunehmen, beim nächsten Pipi machen bei Christina. (@Franz: nur Rosenwasser-Pipi natürlich 😆 )