alltägliches,  Überforderung

Piima

Ich habe ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem bekomme. Und seitdem ich das weiß, vereinbare ich gerne Deadlines, um mich zu zwingen in die Puschen zu kommen. In diesem Fall: Prüfungsanmeldung des Biblicums. Noch vor Ostern.

Das heißt für mich: morgens Kaffee holen. Hinter den Büchern verschwinden. Mittagspause. Hinter den Büchern verschwinden. Mann kommt nach Hause. Hinter den Büchern verschwinden. Bett.
Sowas ist meiner Laune überhaupt nicht zuträglich und mein Mann läuft wie auf rohen Eiern um seine gestresste Frau herum.

Und dabei hatte ich mir das alles so gut vorgestellt.
Biblicum, das ist eine Prüfung, in der Übersichten und Details zu allen biblischen Büchern abgefragt werden. Zu allen? Ja, zu allen. Auch zu den kleinen Propheten (die teilweise so klein sind, dass sie sich wirklich, wirklich schwer in der Bibel finden lassen).
In meinen Träumen arbeitete ich mich aber souverän über Wochen durch Altes und Neues Testament, mit Buntstiften und einem (natürlich sehr hübschen) Notizbuch. Gemeinsam mit dem Heiligen Geist stieg ich immer tiefer in die Geheimnisse des Glaubens ein, die Bibel wöchentlich bunter und so herrlich gebraucht aussehend. Ich selbst: strahlend vor Milde und Herzlichkeit gegenüber allen Lebewesen. Sogar dem kleinen Schreihalspapagei der Nachbarin von schräg gegenüber.

Und nun sitze ich seit drei Wochen hier. Zunehmend genervt und unausgeglichen. Mit unverhältnismäßig hohem Schokoladen- und Kaffeekonsum, Witwe-Bolde-Frisur, Schlafmangel und Papageienmordgelüsten.
Das Ende vom Lied: ich mag mich grad selbst nicht mehr leiden und würde am liebsten alles hinwerfen.

In einer Mittagspause blättere ich mal wieder gedankenverloren auf dem Handy durch den Chatverlauf mit meiner Schwester. Da sind einige private Videos mit meiner fast zweijährigen Nichte drauf. Ich bleibe an meinem Lieblingsvideo hängen. Meine Nichte sitzt mit zwei Duplosteinen in der Hand auf dem Boden und versucht die Steine aufeinander zu stecken. Es klappt einfach nicht. Aber das Kind ist geduldig, erzählt derweil eine Geschichte in Zweiwortsätzen. Plötzlich klickt es leise und der Stein rastet ein. Er hält. Sie strahlt zu ihrer Mama (und damit in die Kamera) und sagt mit stolz vorgerecktem Kinn: „Piima!!“ Meine Schwester beendet kichernd das Video und ich höre noch wie sie vor dem Abschalten sagt: „Ja, das hast du wirklich prima gemacht.“

Ich muss an dieses Piima denken. Das war so herrlich echt und fröhlich.
Wann habe ich aufgehört, mich für erreichte (kleine Alltags-)Ziele zu freuen? Hab ich das überhaupt mal richtig gemacht? Meine kritischen Stimmen sind oft viel zu laut. „Das hätte man besser, schneller, eleganter lösen können.“
Was für ein Unsinn, merke ich jetzt. Was für eine Selbstsabotage.
Manchmal ist es einfach notwendig, die eigenen kleinen Siege zu feiern, um die Motivation nicht zu verlieren. Und ich bin mir sicher, dass der himmlische Papa, der uns besser kennt, als wir uns selbst, uns oft lächelnd ansieht und stolz sagt: „Ja, das hast du wirklich prima gemacht.“

Ich setze mich etwas aufrechter hin, schau auf die vier Haken der Vortests, die ich in den letzten Tagen bereits geschrieben habe, um zum Biblicum zugelassen zu werden: Piima!
Außerdem habe ich in der Mittagspause kurz Sport gemacht: Piima!
Die Wäsche ist gewaschen: Piima!
Gestern Abend gab es was warmes selbstgekochtes. Nicht besonders lecker, aber zur Abwechslung mal kein Fertigessen: Piima!
Blogeintrag geschrieben: Piima!
Und heute mache ich pünktlich Schluss und gönne mir einen freien Abend, weil das eben auch mal sein muss: Piima!!!

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