alltägliches,  Dankbarkeit,  Kindheitserinnerung

Momente

Die Kaffeemaschine rötzelt leise vor sich hin. Ich bleibe noch einen Moment in der Küche stehen, schließe die Augen. Der Kaffeeduft zieht bereits durch die Wohnung meiner Freundin und trägt Erinnerungen in sich.

Mama an der Küchenzeile, während sie das wunderbar klebrige Nougathörnchen aus der Bäckertüte angelt. Über dem Küchentisch brennt Licht und wirft einen warmgelben Lichtkegel bis kurz hinter die Stühle. Ich habe mich auf die Eckbank gekuschelt, den Kopf offiziell im Mathebuch und heimlich in Michael Endes ‚Unendlicher Geschichte‘, die auf meinen Beinen unter dem Tisch liegt.
Es ist halb vier. Meine Lieblingszeit am Tag. Die Schule ist vorbei, die Hausaufgaben sind fast gemacht. Was getan werden muss ist getan. Ich reiße mich zusammen, rechne die letzten Aufgaben und schließe dann erleichtert das Mathebuch. Fertig für heute. Keine Anforderungen mehr.
Jetzt gibt es Gebäck und Mama wird Kaffee trinken. Wir werden uns gegenübersitzen, so dass wir uns anschauen können und Mama wird so nah sein, dass ich ihr Parfüm riechen kann.

Der Kaffee ist fast durchgelaufen und das stetige Maschinenrötzeln geht in ein asthmatisches Keuchen über. Blinzelnd tauche ich aus meiner Erinnerung auf. Aus dem Wohnzimmer dringt Lachen. Draußen ist es bereits dunkel. Eigentlich ist gar nicht die Zeit für Kaffee, es ist spät. Aber ich habe ihn mir gewünscht, weil ich weiß, was dann passieren wird.

Ich husche zurück in das Wohnzimmer, in dem meine Lieblingsmenschen auf Sofas sitzen und reden. Leise kuschle ich mich dazu und beobachte voller Vorfreude, wie meine Freundin das Wohnzimmer verlässt. Kurze Zeit später kommt sie mit einem großen Tablett zurück. Ein Tablett voll mit Tassen, der Kaffeekanne, einem Becher mit aufgeschäumter Milch und einer Schale mit Keksen und Schokolade.

Als ich wenig später meine Hände um die warme Tasse lege und den Stimmen der Menschen zu höre, die ich liebe, kriecht das leise Gefühl in mir hoch, das ich lange Zeit so sehr vermisst habe: zu Hause.

2 Comments

  • Sonja

    Liebe Tine – danke für deinen wundervollen Beitrag. Das Gefühl des Zu-Hause-Seins ist das beste, was es gibt. Ich wünsche mir gerade, die Zvieri-Zeiten in unserer Familie wieder bewusst und liebevoll zu gestalten, damit solche Erinnerungen entstehen können. Und überhaupt, das Rötzeln und das asthmatische Keuchen erinnert mich an ein gewisses Kläffen und lässt mich dich gleich fest vermissen! Herzliche Grüsse!

    • Tine

      Ach du Liebe. Was ich von dir weiß und was du erzählt und geschrieben hast, glaube ich, dass man sich bei euch zu Hause ganz arg toll Daheim fühlen kann. Und irgendwie verbindet sich meine Vorstellung von deinem Tisch immer mit Gebäck, deinem Lachen und Blumen 🙂 Es ist so schön dich zu kennen. Hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.