Gedankenflug,  Überforderung,  zurück zu Jesus

Nachostergedanken

Langsam bekomme ich die Gedanken und Gefühle sortiert. Die Emotionen hängen übrigens immer noch bei Ostern, also zeitlich ziemlich hinterher. Gerade bin ich nun mit Karfreitag fertig geworden. Um den Ostersonntag kümmere ich mich irgendwann demnächst. Dass die großen Feste aber auch immer so emotional sein müssen. Oder geht das nur mir so?


Zu Hause – damit meine ich bei Achim und mir – gibt es keine Ostertradition.

Vielleicht sollten wir uns eine zulegen, doch ohne Kinder ist das mühsam.
Dieser Satz ist gleichzeitig wahr und eine Ausrede.

Ausrede deshalb, weil man Traditionen schafft, um sich zu erinnern. Und erinnern ist nicht nur für Kinder wichtig. Wahr deshalb, weil bei Festen in der Bibel immer wieder beschrieben ist: „Wenn ihr das feiert, dann werden euch eure Kinder fragen warum ihr das macht. Und dann erzählt ihnen, die Geschichte von dem, was passiert ist.“ Ohne (kindliche) Fragen, wird das Worte finden nicht zu einer dringenden (oder vielleicht besser: drängenden) Angelegenheit. Und was nicht laut drängelt, wird leicht übersehen, zumindest bei uns.

Unsere Traditionen zu Weihnachten und Ostern haben sich langsam ausgeschlichen. Die Feste wurden in unseren Ursprungsfamilien sehr unterschiedlich gefeiert. Und so richtig klar war und ist es uns nicht, wie wir selbst denn nun feiern wollen. Jedes Jahr auf’s Neue stehe ich hilflos vor der Aufgabe der Dekoration, der Menüfolge und der Frage mit wem man wo und vor allem was macht. Das endet meist damit, dass es ein Tiefkühlgericht zu einer Flasche Wein gibt: Weihnachten rot, Ostern weiß…keine Ahnung warum, vielleicht weil das besser zur Deko passt. Bzw. besser passen würde, denn zumindest zu Ostern fällt die Deko meist aus.

Dieses Osterfest fiel neben der Deko auch die Gemeinschaft flach. An Karfreitag hatte mich eine Migräne so fest im Griff, dass ich buchstäblich nur meine Raufasertapete um mich ertrug. Auch wenn mir Herz geblutet hat. Denn Karfreitag ist der einzige Feiertag mit den zarten Knospen einer Tradition. Meine Gemeinde besteigt seit ein paar Jahren einen Hügel in Stuttgart, den Birkenkopf, auf dem ein riesiges Kreuz steht. Und dann singen wir dort oben Lieder und denken daran, was Jesus für uns getan hat. Manchmal weinen wir ein bisschen, weil wir so dankbar sind und der Kreuzestod von Jesus trotzdem so schlimm war.
Und mein persönliches Highlight war, als eins unserer kleinen Kinder nach einem halbstündigen Aufstieg das leere Kreuz gesehen und enttäuscht aufgeschrien hat: „Er ist schon weg, wir sind zu spät.“

Diesen Karfreitag bin ich alleine in meinem abgedunkeltem Zimmer. Draußen vor dem Haus findet eine türkische Hochzeit statt. Offenbar wird gerade die Braut abgeholt. Es ist laut und fröhlich. Ich muss mich zusammenreißen um das nicht persönlich zu nehmen. Es ist auch noch kurz vor 15 Uhr, der Todesstunde von Jesus. Draußen orientalische Musik, Silvesterböller und grölende Männerstimmen. Muss das sein? Ein einziger Tag im Jahr, wo man einfach mal die Klappe halten und nachdenken könnte. Ich fühle mich provoziert, getreten und verachtet und reagiere innerlich nicht demütig, sondern aggressiv. Mein Kopf tut sein Übriges dazu. Ganz tief in mir drin, bin ich überhaupt kein netter Mensch, muss ich wieder einmal mit Entsetzen feststellen. Für all die Aggressionen und den Hass, der gerade in mir aufsteigt, ist Jesus gestorben. Ich fühle mich so hilflos.
Dabei kann ich den feiernden jungen Leuten nicht mal einen Vorwurf machen. Wie sollen sie eine Kultur achten, die keine mehr ist? Immerhin ist aus dem Karfreitag längst der Car-Freitag geworden, an dem Autoliebhaber deutschlandweit ihre motorisierten Lieblinge ausfahren. Dann doch lieber Hochzeit feiern.

Ich fühle mich müde und erschöpft. Ich will zu meiner Gemeinde, zu den Menschen, die mich lieb haben. Und ich will, dass der Kopf aufhört weh zu tun.

„Ist das ein bisschen so, wie du dich gefühlt hast, Jesus? Allein, gedemütigt und voller Sehnsucht nach den Menschen die du liebst? Aber du hast nicht aggressiv reagiert. Du bist sanft geblieben und stark. Starker, sanfter Gott. Du trägst mich zum Vater und machst mich heile. Auch ganz tief innen drin, wo noch überhaupt nichts heil ist. Ich bin froh und dankbar, dass du ans Kreuz gegangen bist. Auch wenn es wahnsinnig weh tut. Danke, dass ich daran arbeiten darf dir ähnlicher zu werden. Und danke, dass es am Ende nicht wichtig sein wird, wie weit ich gekommen bin. Du bist genug, Jesus. Deine Liebe reicht.“

7 Comments

  • Bettina

    Liebe Tine,
    auch wenn ich nicht jedes Mal einen Kommentar schreibe – ich schätze deinen Blog sehr und fühle mich deien Gedanken verbunden.
    Vieles hallt nach, weil es von Bedeutung ist…
    Danke auch für diese Karfreitagsbetrachtungen…
    Schreib weiter.. 🙂
    Bettina

    • Tine

      Danke liebe Bettina,
      es tut so gut das zu lesen. Danke für die Ermutigung. Manchmal (in letzter Zeit öfter), eiere ich schon rum und überlege mir, ob das Bloggen Sinn macht und ob ich euch nicht furchtbar langweile.
      Da sind deine Worte jetzt wie Balsam. Hab vielen Dank.
      Tine

  • Christina

    Liebe Tine,
    so, jetzt „MUSS“ ich auch unbedingt mal schreiben. Ich muss schreiben, um Dich wissen zu lassen, dass ich Deinen Blog/Deine Worte und Gedanken seeeehr wertvoll finde! Ich freue mich jede Woche auf Deine Beiträge. Sie zeigen mir (u.a.), dass es auch noch andere Menschen gibt, die in Vielem „so ticken“ wie ich und so tief fühlen. Das ermutigt mich sehr und gibt mir Kraft. Ich danke Dir von Herzen dafür, dass Du den Mut hast, Deine Gefühle und Herzensfragen zu teilen. Wenn ich es mir wünschen darf: Mach sehr gerne weiter so! Danke und Gottes Segen für Dich. Christina

  • Tine

    Liebe Christina,
    vielen, vielen Dank! Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Das freut mich so sehr. Ich glaube nach deinem Kommentar bin ich zwei Zentimeter größer.
    Danke!

    Auf jeden Fall werde ich in nächster Zeit lieber nochmal eure wert- und liebevollen Kommentare lesen, als auf meine innere Kritikerstimme zu hören. Ihr seid viel netter.

    Nach den Worten fühlt es sich so an, als wäre die Sonne in mir drin aufgegangen.

    Ihr seid wunderbar. Danke!

  • Claudia

    Liebe Tine,
    ich weiß nicht, ob du das jetzt noch liest, aber ich möchte dir unbedingt sagen, dass dein Blog, neben dem von Christina und dem leider geschlossenen von Lissy, mein Leben verändert. Ich bekomme so eine Sehnsucht nach Zeiten mit Jesus, wie du sie beschreibst. Als zweifache Mama, die in den letzten Jahren viel zu kurz gekommen ist, lerne ich beim Lesen deiner Beiträge – ich lese mich einfach von hinten nach vorne durch – wieder neu, was ich eigentlich brauche, und nehme mir zaghaft diese Zeiten, wo möglich. Oft muss ich lächeln, und selten auch weinen. Und wenn ich mal wieder liege, wie heute, dann lese ich einfach ein paar alte Beiträge, wie diesen hier, und lasse mich ermutigen. Vielen Dank dafür! Ich freue mich sehr auf alle Beiträge, die noch vor mir liegen.

  • Tine

    Hallo liebe Claudia,
    Vielen vielen Dank für deine Zeilen. Das macht so Mut weiter zu schreiben. Als Mama ist es mit Sicherheit nicht leicht sich die ruhigen Zeiten freizuschaufeln (und sie dann auch zu nutzen und sich nicht einfach hinzulegen und eine Runde zu schlafen).
    So schön dass du hier bist und danke für deine lieben und motivierenden Worte!
    Viel Spaß mit den Texten. 🙂

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