Dankbarkeit,  Kleine Abenteuer

Die Dreambox öffnen

Schmerzfrei. Das erste Mal seit 2 1/2 Jahren tut mir die Hüfte nicht weh. Meine Befürchtung, dass sich während der Rucksacktour alles verschlimmert und ich mich nach zwei Tagen von irgend jemandem retten lassen muss, hat sich nicht bewahrheitet.

Wobei schmerzfrei eigentlich auch nicht richtig ist. Die Hüfte tut nicht mehr weh. Dafür aber die Füße. Und der Rücken. Und der Nacken. Und die Knie.
Trotzdem fühle ich mich herrlich lebendig. Frei. Und vielleicht ein bisschen wild und mutig. Ich stehe am Rande eines Felsens und schaue über das Tal. Ein Fluss kringelt sich durch grüne Hügel unter mir und ich muss an Herr der Ringe denken. Ich muss ständig an Herr der Ringe denken. Dass ich Ruth nicht mit ‚Frau Frodo‘ anspreche, ist auch alles. Ich bin glücklich. Es war ein heimlicher Lebenstraum hierher zu kommen. So heimlich, dass ich ihn nicht mal mir selbst gegenüber in Worte gefasst habe. Doch plötzlich bin ich hier. Nicht nur in Worten, nicht nur in Gedanken, sondern in echt.
Gottes Pläne und Geschenke sind so oft so viel größer, als ich es ihm zutraue. Aber der Reihe nach.

Anfang des Jahres habe ich mir selbst vier Ziele gesetzt. Dinge, die ich gerne tun möchte, zu denen mir aber bisher der Mut fehlte. Eines dieser Ziele war, mit Ruth und Rucksack für eine Woche auf der Schwäbischen Alb zu wandern. Ein bisschen so tun, als wäre es eine Hüttentour in der weiten Welt. Und wenn es blöd ist, nimmt man den nächsten Zug und ist in einer Stunde zu Hause. Genau der Notausstieg, den ich brauche, damit es nicht allzu gruselig für mich Hasenherz wird.

Dann wurde Ruth von Freunden nach Norwegen eingeladen und diese Einladung fiel genau auf unseren gemeinsamen Urlaub. Ihr zaghafter Einwand, dass sie da schon Wandern gehen wollte wurde durch ein begeistertes: „Dann gehst du halt in Norwegen wandern.“, des Gastgebers untergraben. Und da war er: mein heimlicher aber unheimlicher Eifersuchtsanfall und die Tränen, die ich kaum mehr zurück halten konnte. Da konnte selbst ich es nicht mehr verleugnen: eigentlich will ich nicht auf die Schwäbische Alb. Eigentlich will ich nach Norwegen. Neben Dänemark ist das mein Lieblingsland. Aber auch ein Land, das mir viel zu groß, viel zu fremd und viel zu wild ist. Und ich viel zu klein, zu unerfahren und zu ängstlich um dort nur mit einem Rucksack unterwegs zu sein. Ein Traum, der nur für andere, mutigere Menschen, in Erfüllung gehen kann.

Doch mit Planungshilfe unserer norwegischen Freunde und einem gut ausgebauten Hüttennetz der norwegischen Wandervereinigung war es plötzlich viel leichter als gedacht. Es war wie ein riesiges Geschenk, das mir vor die Füße gelegt worden war und von dem ich nur noch die Schleife abzupfen musste. Staunend und bis zum letzten Moment fest damit rechnend, dass es mir jemand wegnimmt und sagt: „Das war ein Irrtum, das ist gar nicht für dich. Bleib zu Hause, kannst ja Abends mal um den Block spazieren, setzte halt da deinen Rucksack auf.“

Jetzt steht ich hier. Hinter uns liegen mehrere Tage und verschiedene Hütten. Wasserfälle, lange Flussläufe, fremde Betten und der sanfte Geruch nach Abenteuer und Autan.

Und die Ängste? Die wurden, konfrontiert mit der Realität, immer blasser. Aus konfusen Angstgedanken wurden reale Anforderungen, greifbar und zu bewältigen.

Vielleicht darf man manchmal wirklich mutiger sein, als man sich fühlt. Und vielleicht darf man einfach mal Freunde bitten, einen zu helfen, wenn man alleine nicht weiter kommt. Darf Menschen bitten Türen zu öffnen, die man alleine nicht aufbekommt. Vielleicht darf ich Gott mehr zutrauen, was seine Großzügigkeit betrifft. Nicht nur im allgemeinen, sondern vor allem auch mir gegenüber. Ich bin es ihm wert, dass er mir so eine Reise vor die Füße legt und meine einzige Aufgabe nur noch ist, sie anzutreten. Wo liegen in meinem Alltag wohl noch überall Chancen herum, die nur darauf warten ergriffen zu werden?

10 Comments

  • Annette

    Liebe Tine, ich habe mich sehr gefreut, wieder von dir zu lesen! So schön, dass du in Norwegen wandern durftest! Ja, manchmal kann man echt nur staunen, welche Geschenke Gott für uns hat! Liebe Grüße

    • Tine

      Hallo liebe Annette,
      danke! Ja, es war eine wunderschöne Zeit. Bin immer noch ein bisschen sprachlos und sehr dankbar.
      Es ist aber auch schön wieder hier zu sein und von euch allen zu lesen. Das habe ich ganz schön vermisst.

      Ein lieber Gruß zu Dir!

  • Becky

    WIE SCHÖN, liebe Tine, da freu ich mich TOTAL mit Dir!!!! Und Danke für diesen wertvollen Gedanken…

    „Vielleicht darf ich Gott mehr zutrauen, was seine Großzügigkeit betrifft. Nicht nur im allgemeinen, sondern vor allem auch mir gegenüber. Ich bin es ihm wert, dass er mir so eine Reise vor die Füße legt und meine einzige Aufgabe nur noch ist, sie anzutreten.“

    Das hat mich voll erwischt. Hast mal wieder die „Tear-box“ geöffnet. Danke, Du Gute!

  • Christina

    Ach wie schön die Bilder zu sehen und deine Worte dazu zu lesen! Und Du passt so gut in diese Landschaft!!! (und ich freu mich, dass Du wieder da bist…bis zum nächsten Abenteuer :-)). Drück Dich, liebe Gefährtin!

    • Tine

      Dein Spruch auf deiner schönen Karte hat mich die ganze Zeit begleitet: „Die Dinge, die wir aufgeregt und ängstlich tun, mit Herzklopfen bis zum Hals, sind meistens die allerbesten Dinge.“
      Du hast so recht.

  • Petra H.

    Juchhu!!!
    Die Tine ist wieder da!! Ich habe immer mal geguckt, ob ich mich nicht vertan habe und du wirklich so „lange“ Pause machst. Und heute war wieder so ein Tag.
    So schön, wieder regelmäßig von dir lesen zu dürfen.
    Und so schön, was Gott da für dich vorbereitet hat!!! Und noch schöner, das du dich darauf einlassen konntest!
    Ja, ich beende meine Sätze (fast) immer mit Ausrufezeichen. Geht einfach nicht anders.
    Liebe Tine, deine Echtheit ist so erhebend, danke!!!
    Das Thema „Angst“ kenne ich auch nur zu gut. Deine „Angstüberwindung“ macht mir Mut!!!!
    Ich bin ganz gespannt auf weitere Öffnungen deiner Dreambox und freu mich drauf.
    Liebe Grüße von Petra H.

    • Tine

      Oh Petra! Du schaffst es immer wieder, dass ich lachen und schniefen und mich freuen muss. So schön, dass du da bist! Irgendwie fühle ich mich jetzt willkommen und zu Hause. Danke, du Schätzin.
      Und Ausrufezeichensätze finde ich ganz arg fantastisch!

      Außerdem habe ich dich bisher als sehr mutig erlebt. Und ich bin sehr gespannt, wie es bei dir weiter geht.

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