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Frühlingsrollen und Zimtschnecken

Es ist Ostersonntag. Wir haben virtuell Gottesdienst gefeiert, gut zu Mittag gegessen und kurz darauf beschließe ich, dass man auch das Beste aus dem Lockdown machen kann: Pyjamaparty!! Also wechsle ich in den Schlafanzug, mache mir eine riesige Kanne Tee und suche mir ein schönes Buch. So geht Party!

Am frühen Abend klingelt es an der Tür. Ich werde aus meinem Bücherabenteuer gerissen. Gerade war ich noch auf Schmugglertour hinter dem Eisernen Vorhang und wurde fast erwischt. Und sehe auch so aus: Die Haare zerrauft, hektische rote Flecke im Gesicht (was vielleicht auch an der überraschenden Türklingel liegt – ich bin unglaublich schreckhaft) und desorientiert.

Der Gatte brüllt aus dem Bad, er könne jetzt grad nicht. Also habe ich Türdienst. Kurz aber heftig überlege ich, ob ich mich einfach tot stelle und warte bis der Mensch vor der Tür wieder weg ist. Mache ich dann aber nicht.

Der neue Nachbar steht draußen. Ein junger Vietnamese. Ich kann das Alter schlecht schätzen, würde aber sagen, dass er Mitte 20 ist. Er hat eine kleine Platte mit noch heißen Frühlingsrollen dabei. Ein Gruß von ihm und seiner Frau. Weil wir ja nun Nachbarn sind. Und wenn wir irgendetwas brauchen, dann können wir uns jederzeit melden.

Mein Blick hängt wie hypnotisiert an dem kleinen Kreuz um seinen Hals, während ich das Essen entgegennehme und irgendetwas unverständliches murmle. Irgendwie fühle ich mich unhöflich. Doch der junge Mann lässt sich nicht schocken. Er ist sehr freundlich, aufgeschlossen und strahlt. Und das obwohl ich völlig zerrupft, im Schlafanzug und mit einer Frisur auf dem Kopf vor im stehe, die stark an ‚die Palme‘ der 80er erinnert.

Und plötzlich überkommt mich eine fast unbändige Sehnsucht, die mich noch unfähiger macht zu sprechen. Wie wäre es, wenn der neue Nachbar und seine Frau Christen wären? Wie wäre es, wenn wir plötzlich Geschwister im Haus hätten? Wenn wir zu einem Gebet einfach nur über den Flur müssten? Wenn wir gemeinsam für dieses riesige Haus mit seinen hunderten von Bewohnern beten könnten? Wenn wir für die Nachbarn da sein könnten…gemeinsam und nicht mehr als Einzelkämpfer. Hauskreise im Haus? Neue Christen, neues Leben, neues Feuer.

Ich suche nach Worten, schaffe aber nur ein ‚Danke‘ heraus zu pressen. Er lacht, winkt und geht zurück zu seiner jungen Familie in seine Wohnung.

Der Traum von einer neuen kleinen christlichen Segenszelle in unserem Haus bleibt bei mir hängen. Die Sehnsucht ist so überwältigend groß, dass ich in den nächsten Tagen zu nichts fähig bin. Nur noch zum Beten.

Ich habe fast sofort nach Gebetsanfang den Eindruck, den neuen Nachbarn Zimtschnecken vorbei zu bringen. Als Willkommensgeschenk. Und damit es nicht wieder unter den Tisch fällt, backe ich noch in der gleichen Woche und bringe es gemeinsam mit meinem Mann rüber.

Es passiert…nichts…Die Oma ist zu Hause und passt auf das kleine Kind auf. Sie spricht nicht mit uns und ist argwöhnisch. Doch genau in dem Moment wo wir uns umdrehen geht die Aufzugtür auf und der Nachbar erscheint. Er lacht, bedankt sich. Über Jesus sprechen wir nicht.

Meine Sehnsucht bleibt.

Die Gebete bleiben.

Jesus. Ich wünsche es mir so sehr, dass du in dieses Haus einziehst. Nicht nur bei uns, sondern in viele Wohnungen. Lass mich bei diesem Wunder dabei sein. Bei diesem kleinen riesigen Osterwunder.

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