Ein Sommernachtstraum
Als Kind fielen Glühwürmchen für mich in eine gemeinsame Kategorie mit Elfen und Einhörnern: irgendwo existieren sie, zeigen sich aber nur den Auserwählten. Offensichtlich jedoch, gehörte ich nicht zu dieser Gruppe.
Als Erwachsene verlagerte sich mein Suchen von leuchtenden Wesen, hin zu glitzernden Medaillen. Ich finde die vor allem dann attraktiv, wenn man sie im sportlichen Wettkampf gewinnen kann. Ein Bekannter nannte das neulich Lametta-geil. Ich nenne es Glühwürmchen-Ersatz. Nun habe ich zwar außer Teilnehmerurkunden noch nie was mit nach Hause genommen, aber egal, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und jetzt ist es mal wieder soweit:
Meine sportlichen Leistungen bleiben weit hinter meinen eigenen Erwartungen zurück. Diesmal reichen sie nicht mal für eine Teilnahme. Frustriert frage ich mich, ob ich die Aussicht, jemals sportlich etwas zu erreichen, auf eine Reise zu den Einhörnern schicken muss.
Etwas desillusioniert und nölig, sitze ich neben meinem Mann im Auto. Es ist bereits dunkel und wir kommen von einer Veranstaltung zurück, auf der ich mich kaum konzentrieren konnte. Der Vers aus 1. Tim. 4,8 „Denn die körperliche Ertüchtigung ist zu nichts nütze…“ hat sich den Abend über in meinem Kopf festgesetzt. Ein verlockender Satz…wenn man ignoriert, dass er von einem Mann stammt, der hunderte von Kilometern zu Fuß zurück gelegt hat, ohne zu kollabieren.
Im Radio läuft das Lied „Fireflies“. Als wir gerade von der Hauptstraße abbiegen meint Achim plötzlich: „Mein Kollege hat gesagt, dass es dieses Jahr wohl echt viele Glühwürmchen gegeben hat.“
Ich blinzle. In meinen Gedanken, sehe ich viele kleine Leuchtwesen über einem nächtlichen See, während zu den Klängen von Owl City, im Schatten der Bäume, ein Einhorn seinen eleganten Hals zum trinken neigt.
So ist auch mein impulsives: „Die gibt’s doch gar nicht.“, zu erklären.
Nach einer hitzigen Diskussion, biegt mein Mann kurzerhand ab und steuert den Parkplatz zu den Rems-Auen an. Es sei zwar eigentlich schon etwas spät im Jahr für Glühwürmchen, erklärt er, aber man könne es ja mal versuchen.
Ich werde ganz aufgeregt. In Gedanken bitte ich Jesus inständig darum ein Glühwürmchen für mich bereit zu halten, auch wenn doch jetzt nicht mehr die Zeit dazu ist. Heißt es nicht, dass Gott gerne schenkt, wenn seine Kinder ihn im Vertrauen um etwas bitten?
Es gibt Bereiche in meinem Leben, in denen schmerzliche Lücken klaffen – trotz vertrauensvollem Gebet. Aber ich will daran festhalten, dass mir alles zum Besten dient. Das ist nicht immer einfach.
Aber trotz dieser unerfüllten Lebenswünsche und trotz schlimmen Kriegen und Hungersnöten in anderen Teilen der Erde, will ich daran glauben, dass Jesus auch eine banale und kindliche Bitte um Glühwürmchen erhören kann und wird. Weil er mich liebt und es liebt zu schenken. Und so steige ich mit etwas zittrigem Vertrauen, aber dem festen Entschluss der Erwartungshaltung, aus dem Auto.
Wir laufen einige Zeit am dämmrigen Ufer entlang und wechseln dann über eine Brücke auf die andere Seite um dort wieder zurück zu gehen; halbe Strecke vorbei. Nichts. Mehrmals quietsche ich auf, als etwas zwischen den Büschen blinkt. Aber es ist nur das Licht der Laternen, das sich im Plastikmüll spiegel. In mir macht sich leichte, aber bittere, Enttäuschung breit.
Dann ruft Achim: „Da ist eines!“ Er deutet auf einen dunklen Bereich zwischen zwei Büschen. Hektisch suchen meine Augen das Areal ab. Vor lauter Anspannung sehe ich nun lauter Lichtpunkte, die über meine Netzhaut tanzen. Aber kein Glühwürmchen.
„Jetzt ist es weg.“, tönt es neben mir.
„Bring mich nach Hause und zum Naschschrank. Sofort!“, höre ich mich selbst seufzen.
Achim macht mir Mut und er gibt sich wirklich Mühe noch ein Glühwürmchen für mich zu finden. So brauchen wir für den Rückweg deutlich länger. Schließlich kommen wir doch wieder auf die Höhe des Parkplatzes, und steuern die Brücke an, die uns zurück auf die andere Flussseite bringt. Da ruft Achim zum zweiten Mal.
Und diesmal sehe ich sie auch: zwei gelb leuchtende, kleine Punkte, die sanft zwischen zwei Büschen schweben.
Wie verzaubert stehe ich da und kann es nicht fassen: es gibt sie wirklich. Und Jesus hat mir zwei (!) Stück aufgehoben. In Gedanken juble ich Gott zu, der sich so wunderbare Geschöpfe ausdenken kann. Käfer mit einer Glühbirne als Po.
Glücklich gehen wir den restlichen Weg zur Brücke. Hier öffnen sich die Büsche, zu einer kleinen Wiese, mit verstreuten, knorrigen Obstbäumchen. Der Mond ist aufgegangen und man sieht einige Nachtfalter. Alles ist so friedlich und schön, fast wie im Märchen. Noch einmal drehe ich mich zu den Büschen um, um Danke zu sagen. Jesus weiß, wie sehr ich es mir gewünscht hatte. Und wie fragil an dieser Stelle mein Vertrauen war. Er hat es nicht fallen lassen. Ich will den zwei Leuchtkäfern, die inzwischen verschwunden sind, noch einmal hinterher winken, als mein Blick auf einen neuen Lichtpunkt auf der Wiese fällt. Und dann noch einen. Und noch einen.
Die Wiese beginnt plötzlich sanft zu leuchten. Bestimmt 30 Glühwürmchen tanzen über die Schatten der Blumen und Grashalme, steigen auf und verlieren sich, nach und nach, in der Dämmerung. Eine Szene wie aus Shakespeares ‚Ein Sommernachtstraum‘. Schweigend, und mit klopfenden Herzen, beobachten wir das Schauspiel. Es ist unfassbar schön.
Schließlich schlendern wir langsam zurück zum Auto.
Wir haben einen verschwenderisch liebenden Gott. Ich kann nicht erklären, warum er uns manche Schmerzen, Verluste oder unerfüllten Wünsche zumutet. Aber ich weiß, dass er unsere großen und kleinen Bitten hört und dass sie ihm nicht egal sind (auch wenn sich das manchmal so anfühlt). Er geht mit mir und mit uns durch alle Höhen und Tiefen. Er spürt alles mit. Und er liebt es zu schenken. Selbst wenn es nur diese kleinen-großen Träume eines erwachsen gewordenen Kindes nach Glühwürmchen sind. So ist er, der Jesus. ♥
Ach: und nächstes Jahr mach ich das Deutsche Sportabzeichen. Und zwar in Bronze. Das glitzert bestimmt schön. Macht jemand mit?
9 Comments
Christina
Ach wie schön geschrieben! Und ich finde Glühwürmchen auch ganz toll!!! Und dass Jesus so kleine Bitten hört ist einfach unglaublich und wunderbar. Wahrscheinlich tut er das, weil er uns einfach mag :-)…Grüße und wegen dem Sportabzeichen: ich hab irgendwo noch eine Teilnehmerurkunde von den Bundesjugendspielen, finde das reicht, haha.
Tine
Ja stimmt!! Die Bundesjugendspiele. Die gab’s ja auch noch. Die Ehrenurkunden (in gold). Was hab ich (Chipsessend) auf meinem Bett gelegen und von dieser Urkunde geträumt. Hach.
Nicole Katharina
Hi Tine
Herzliches willkommen in der bloggerwelt ☺
Ich habe jedoch einen kleinen Kritik Punkt, du musst unbedingt ein Impressum reinnehmen.
Es gibt es ein paar Haie im Netz die dir Schäden könnten, wenn du keines hast.
Lieben Gruß Nicole
Tine
Hallo Nicole,
vielen Dank! Für’s Willkommen heißen und für den Tipp, das wusste ich nicht. Ich setz gleich eines rein. (Oh man, was man alles denken/was man alles wissen muss…:-) )
Lieber Gruß zurück!
Tine
Börgi
Huhu Tine.
Ich lese dann ab heute mal mit. Das was ich bisher gelesen habe macht Lust auf mehr. Ach ja, Glühwürmchen kann man in Neuseeland einer Höhle angucken. Da wird man mit einem Boot reingepaddelt und alles ist ruhig, dunkel und fast ein wenig gruselig. Dann plötzlich geht es um eine Ecke und die ganze Höhlendecke strahlt, weil ganz viele Würmchen sich den Popo heißglühen. Für mich war das eines der schönsten Naturspektakel, die ich bisher sah. Ich wünsche dir viel Glitzer ins Leben und grüße dich heute aus Hamburg.
Die Börgi.
Tine
Börgi!!! So schön, dass Du da bist. Couch? Keks? Kaffee? Was hat Dich denn nach Hamburg verschlagen?
Ja, von dieser Höhle habe ich gehört, bzw. ich habe Bilder davon gesehen. Das ist fantastisch.
Lieber Gruß in den Norden
Tine
Börgi
Moin Tine.
Das Börgi ist der Liebe wegen in Hamburg gelandet. Allerdings momentan auf Besuchsbasis, denn der große Umzug kommt erst noch. Couch – mein Zweitwohnsitz. Kekse – meine Droge. Kaffee – mein Albtraum.
Bussi vom Börgi.
die Vorgärtnerin
Das Sportabzeichen in Bronze hab ich schon.
Und ungefähr 8 mal beim Röntgenlauf teilgenommen. Das ist seit einigen Jahren mein restlicher sportlicher Ehrgeiz. Ich habs nicht so mit dem HöherSchnellerWeiter. Offensichtlich unempfindlich für Lametta 😀
Die Sache mit den Glühwürmchen ist fein. Zuletzt hab ich sie beim Willo gesehen, und natürlich hat der Höchste mir auch ein paar Sternschnuppen geschenkt.
Aber der Hammer waren die Krebschen (oder was auch immer, war pechschwarze Nacht), die am Strand im seichten Wasser rumflitzten und einen blau leuchtenden Lichtschweif hinter sich herzogen.
Sowas hatte ich echt noch nie gesehen.
Falls das jetzt jemand fragen möchte, es waren keine Phosphoralgen, sie waren BLAU.
Tine
Das klingt so schön. Glühwürmchen, Sternschnuppen UND Krebschen. Da hat der Höchste wirklich einiges an Feuerwerk aufgefahren. 🙂 Solche Momente sind echte Geschenke.
Und trotzdem: mein Respekt vor dem ‚Lametta‘, (auch wenn du gar nicht drauf aus bist)
Lieber Gruß
Tine