alltägliches

Es ist meine Entscheidung

  • Das Telefon klingelt. Schon zum dritten Mal heute Vormittag. Die Nummer ist unterdrückt und ich habe eine grobe Ahnung wer es sein könnte. Ich gehe nicht ran. Mein schlechtes Gewissen nagt an mir, aber meine Entscheidung steht. Ich werde morgen Mittag zurück rufen, jetzt bereite ich meine Predigt vor und werde mich nicht unterbrechen lassen. Beherzt schalte ich das Telefon ab und der Anrufbeantworter geht ran. Der Anrufer spricht keine Nachricht auf.
  • Ich höre meine eigene Stimme sagen: „Nein, es tut mir leid, ich kann dir bei dieser Sache nicht helfen. Aber frag doch Anne, die ist fit mit sowas.“ Ich bin gleichzeitig entsetzt und beeindruckt. Meine Güte kann ich ruhig klingen, während sich alles in mir beim Nein-Sagen windet.
  • „Du hast überhaupt keine Zeit mehr.“ Ihr Blick ist vorwurfsvoll. Ich muss mich zusammenreißen um nicht sofort einzuknicken. Schnell gehe ich in Gedanken die letzten Wochen durch. Es ist nicht wahr. Wir haben uns mehrfach getroffen und telefoniert. Ich lasse ihren Vorwurf im Raum stehen und mache mir einen inneren Vermerk dieses Thema später in Ruhe noch einmal durchzudenken.
  • „Dann mache deine Arbeit doch später und komm jetzt mit in’s Café. Du kannst dir deine Zeit doch frei einteilen.“ Ja, das kann ich. Und ich habe mich entschieden nach einem Plan zu arbeiten, der mich sicher ans Ziel bringt. Ich werde meine Projekte nicht schieben um dann die Nächte vor der Deadline, mit dem Adrenalin- und Koffeinspiegel eines kaffeesüchtigen Bungeejumpers, durcharbeiten. Das habe ich oft genug getan um zu wissen, dass diese Nächte nicht schön sind.

Vor einiger Zeit hatte ich mit Bitterkeit zu kämpfen. Sie durchzog über Wochen in kleinen, kaum wahrnehmbaren, Adern mein Denken und Fühlen und war insgesamt ganz gut zu überspielen. Doch dann wurde sie innerhalb von wenigen Tagen zu einem dicken Nebel, die meine Sicht auf Situationen und Menschen einfärbte. Auf der Suche nach der Ursache wurde mir bewusst: „Du nimmst in deinem eigenen Leben eine Opferrolle ein. Du versäumst es Entscheidungen zu treffen und bist dann frustriert, wenn andere sie für dich treffen oder das umsetzen, zu dem du dich nicht entscheiden konntest.“

Das ist eine erschreckende Wahrheit. Ich habe viele Träume, bin aber viel zu feige sie anzugehen. Und selbst wenn ich ein paar kleinere umsetzen möchte und Raum dafür schaffe, kommt meist so viel dazwischen, dass mir mein Zeitplan um die Ohren fliegt. Der Frust steigt und ebenso das Gefühl, fremdgesteuert zu sein.

Seit einigen Wochen nun setze ich in meinem Alltag neue Grenzen und Akzente. Zaghaft, das muss ich zugeben. Aber ich spüre bereits die Auswirkungen. Ohne die Unterbrechung von Telefon oder Mails bin ich konzentrierter und am Ende vom Tag zufriedener. Die Treffen und Telefonate mit Menschen finden auch jetzt noch statt. Aber ich vereinbare nun Zeiten dafür. Das stößt nicht überall auf Gegenliebe. Doch unterm Strich, tut es uns allen gut. Denn ich bin bei den Gesprächen viel präsenter. Ich fühle mich weniger gehetzt (weil ich doch eigentlich was ganz anderes tun müsste). Ich bin mehr in der Gegenwart, kann mich auf mein Gegenüber konzentrieren, habe das Handy aus und nicht wie früher neben mir auf dem Tisch. Das macht mich zufrieden.

Über meine Träume denke ich nun bewusster nach und bespreche sie mit Jesus. Viele dieser Träume werden Träume bleiben und das ist okay so. Allerdings habe ich beschlossen mich bewusst mit anderen Menschen zu freuen, die diese Träume umsetzen. Ich hätte die Chance gehabt die Träume anzugehen und habe mich dagegen entschieden. Niemand anderes hat Schuld. Es ist allein meine Entscheidung.

Andere Träume haben das Potential zu Plänen zu werden, wenn ich mich nur traue. Es gibt nun zwei Stunden in der Woche, wo ich mich mit diesen Träumen beschäftige, wo ich frech plane und so tue als hätte ich keine Angst. Ich habe begriffen, dass ich niemandem einen Vorwurf machen kann, wenn ich mein Leben nicht so lebe, wie ich das möchte. Ich bin kein Opfer.

One Comment

  • Katrin

    Liebe Tine, danke für diesen wunderbaren Text. Wie recht du doch hast! Du bist tatsächlich kein Opfer und kannst bzw. musst es nicht jedem recht machen, sondern triffst deine eigenen Entscheidungen. Und das machst du sehr gut!!

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