zurück zu Jesus

Das Leuchten suchen

Die Luft ist noch kühl, auf dem Balkon. Unter mir liegt die Stadt und die Ausläufer des Remstals. Alles ist saftig grün und der frühmorgendliche Verkehr summt darin wie Bienen in einem Bienenstock. Alles wirkt so wacht und quirlig. Nur ich nicht. Der nächtliche Traum hängt mir noch nach und will sich nicht recht abschütteln lassen.

Seit Wochen hat sich eine Schwere auf mein Leben gelegt, die sich auch in den Träumen widerspiegelt. Es fing kurz vor unserem Urlaub an. Der war Anfang Juni und langsam habe ich es satt. Meine Akkus sind leer. Dabei sollten sie voll sein. Denn ich habe in den letzten Wochen gezielt das praktiziert, was man Work-Life-Balance nennt. Aber nach Balance fühlt es sich so gar nicht an. Eher wie Achterbahnfahrt im Dunkeln. Und das bei über 30 Grad Sommerhitze und grellem Licht. Klingt wie ein Widerspruch, erlebt sich aber sehr real.

Gott sei Dank ist der Sommer die Zeit im Jahr, wo am wenigsten von mir gefordert wird. In der Gemeinde geht alles etwas langsamer zu und auch die restliche Welt scheint einen Gang runter zu schalten. Das gibt mir die Möglichkeit durchzuhängen. Hier zu sitzen. Dem Verkehr zu lauschen. Und das sehnsüchtige Ziehen in meinem Bauch wahrzunehmen. Ja, es zieht in meinem Bauch. Oder in meinem Herzen, so genau kann ich das nicht sagen.

Wann habe ich es zum ersten Mal wahrgenommen?

Ich glaube es war vor zirka zwölf Jahren, an einem Herbstabend in Nürnberg. Ich kam gerade von Freunden. Es war spät und ich wollte nach Hause. Auf der Treppe rannte ich in meinen Pastor, der im gleichen Haus wohnte. Er sah furchtbar müde aus. Aber unter dieser Erschöpfung lag ein Glühen. Ein intensives, warmes Licht. Mein Pastor meinte das ernst, die Sache mit Jesus. Jesus war die Kraftquelle, aus der heraus er lebte. Die beiden hatten eine so stabile und selbstverständliche Beziehung, dass mir damals schlagartig bewusst wurde: das ist echt. Diese Beziehung war es, die meinen Pastor vor dem ausbrennen bewahrte, selbst in anstrengenden Zeiten.

Seitdem bin ich immer wieder Christen begegnet, die dieses Leuchten hatten. Ein Leuchten, in dem sich tiefe Beziehung, Vertrauen und Intimität spiegeln.

Ich will das auch. Ich wollte es, seitdem ich in Nürnberg in diesem Altbautreppenhaus in den Pastor gerannt bin. Und ich will es jetzt, an diesem Sommermorgen auf meinem Balkon.

Am nächsten Morgen ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten.
(Mk 1,35)

Meine Bibellese hat mich vor zwei Tagen über diesen Vers stolpern lassen und er lässt mich nicht mehr los. Dieser Vers wird oft dazu gebraucht vor der Zeit aufzustehen und in blindem Aktionismus Gebetslisten abzuarbeiten. Hab ich auch schon versucht…war nicht schön. Doch diesmal nehme ich hinter diesem Vers das gleiche Leuchten wahr, wie in den Augen meines damaligen Pastors.

Jesus, der in seinem Dienst sehr eingespannt war, flüchtet sich in einen Raum, in dem er mit seinem Vater alleine ist. Er rechtfertigt sich nicht, meldet sich nicht mal bei seinen Jüngern ab. Er nimmt sich das, was er braucht, um das tun zu können, wofür er gekommen ist.

Ich will auch in diesen Raum.

Gebet scheint der Schlüssel zu sein. Doch, wie betet man? Es muss mehr geben,als Gebetslisten abzuarbeiten. Nichts gegen Gebetslisten, die mögen ihre Berechtigung haben. Aber nach über zehn Jahren kann ich mit Sicherheit sagen, dass dieses Werkzeug in mir kein tiefes Glühen erzeugen konnte und mich nicht dauerhaft in einen Raum der Gegenwart Gottes brachte. Doch was bringt mich in diesen Raum, in dem Jesus gelebt hat? Wie ist meine persönliche Art zu beten? Was gibt es überhaupt für Arten?

Ich schäle mich aus dem Gartenstuhl und beginne meinen Streifzug durch die Wohnung, sämtliche Bücherregale ablaufend. Am Ende habe ich einen hübschen Stapel Bücher zusammen, alle zum Thema Gebet. Kaum eins kenne ich. Wann habe ich aufgehört zu lesen? Ich habe keine Ahnung, ob die Bücher gut oder schlecht sind. Ob sie einen Schlüssel zu dem Raum in mir enthalten, in dem das Leuchten ist. Oder ob sie pure Zeitverschwendung sind.

Aber ich bin neugierig. Meine Frage ist so alt wie das Christentum selbst. Auch die Jünger hatten sie („Lehrer, lehre uns beten.“). Und ich bin gespannt welche Antworten und Ansätze Christen vor mir hatten, als sie dieser Frage auf den Grund gegangen sind. Also, was soll’s…es ist Sommer, es ist ruhig. Ich weiß nach meinem frühen Feierabend gerade ohnehin nichts mit mir anzufangen, also kann ich mich auch auf Schatzsuche begeben.

Glück auf!

5 Comments

  • Petra

    Ui, Tine, da hast du dir ja was vorgenommen!!!! 🙂
    Ja, ja, das Beten…..ich kenne das auch, „stille Zeit“ so ein Relikt aus meinen Anfängen des Lebens mit Jesus. Ich hatte laaaange Listen, die ich „abgebetet“ habe. Und wenn ich es nicht tat, war da dieses schlechte Gewissen, dass mich dann erstmal von Jesus wegtrieb. Manchmal spüre ich noch heute dieses unangenehme Gefühl, wieder nicht geschafft, was ich „eigentlich“ wollte/sollte…?!! Und dann sage ich „ACH,JESUS….“. Und erinnere mich an eine Aussage von Adrian Plass:“ Gott ist nett!“ Dann spüre ich so ein Lächeln vom Himmel und empfinde Gottes Reden:“ Mein Kind, du bist doch da, das ist die Hauptsache!“ Ha, ich renne meistens nicht mehr weg, wenn ich etwas nicht so hinkriege, wie ich wollte/sollte. Das ist doch schonmal gut, gell?!!
    Ich bin ganz gespannt, was du nun über das Beten, über „dein Beten“ herausfindest. Ich wünsch dir so deine ganz eigenen Erkenntnisse und ich wünsche mir, das du sie mit uns hier teilst. Und ich wünsche uns Allen, das wir den Raum in uns entdecken, der uns zum Leuchten bringt. Und das wir dann Leuchten, was das Zeug hält….:-)!!!!!
    Ich drücke dich, Petra H.

  • Bettina

    Liebe Tine,
    Ich freue mich auf deine Blogeinträge.
    Ich kann mich in vielem gut wiederfinden.
    Danke fürs Ehrlichsein.
    Liebe Grüße von Bettina

  • Elke

    Liebe Tine,ich verstehe was du meinst.Ich bin schon viele Jahre mit Jesus unterwegs doch habe ich mich in letzter Zeit häufig gefragt,wie ist Beten gemeint,doch nicht dieses mühsame Listenabbeten bis zur Erschöpfung,als müsste man die ganze Welt retten mit dem Beten, irgendwie bin ich da auch unzufrieden und ich merke genau wie du,da muss noch mehr dahinter sein.Ich freue mich,wenn du deine Einsichten mit uns teilst

  • Becky

    Oh ja! Bitte dann mitteilen… ich sitze gerade sehr häufig am Morgen mit meinem Kaffee auf meiner tollen Hollywoodschaukel, schau in die Weite und möchte beten. Aber irgendwie habe ich das verlernt. Meistens verlasse ich meinen Lieblingsplatz „ungebetet“. Dabei gibt es so viel, was ich mit Jesus teilen möchte! Bin sehr gespannt, was Du herausfindest. Das habt ihr „Intros“ uns anderen ja vorraus: Ihr könnt euch wirklich in ein Thema vertiefen… 😉 Ich vergesse mein Anliegen oft so schnell wieder und schaffe es nicht, da wirklich weiterzukommen..

  • Tine

    Danke ihr Lieben für eure Kommentare. Es hat mir so gut getan sie zu lesen und Mut gemacht weiter zu forschen.

    Obwohl mir klar ist (eigentlich), dass viele an der Sache Gebet rumkauen, war ich mir nicht sicher, ob ich hier weiter drüber schreiben soll oder ob es nur langweilt. Ihr habt mir nun so Mut gemacht dran zu bleiben und auch darüber zu berichten.

    Danke, ihr Schätze.

    Eure Tine

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