alltägliches,  Angst,  Dankbarkeit

Zivilcourage

Es ist Donnerstagvormittag. Beim Schulzentrum gegenüber herrscht reger Betrieb, und das obwohl Sommerferien sind. Ich drücke mich zwischen rennenden Kindern und hupenden Autos hindurch.

Er taucht nur am Rande meines Bewusstseins aus. Irgendetwas ist seltsam an dem Radfahrer. Er steht so ungünstig im Gegenlicht, dass ich ihn nur als schwarzen Scherenschnitt erkenne. Er ist mir unheimlich. Vielleicht sollte ich aber auch einfach weniger Krimis lesen. Ich schiebe meine seltsamen Gefühle bei Seite und konzentriere mich wieder auf meine Atmung. Seit einer Woche habe ich mit dem Laufen wieder angefangen und aktuell geht mir nach 10 Minuten die Luft aus, wenn ich nicht aufpasse. Nach 200 Metern wechsle ich die Straßenseite. Ich rede mir ein, dass ich das ohne bestimmten Grund tue. Aber eigentlich möchte ich dem Radfahrer ausweichen. Auf der anderen Straßenseite fühle ich mich wohler und widme mich wieder dem Atmen.

Kurz darauf hält ein weißer Kleinwagen neben mir, am Steuer eine junge Frau. Sie entschuldigt sich. Ich gehe im Kopf alle Straßennamen durch die ich in der Umgebung kenne, damit ich ihr den Weg sagen kann, nach dem sie gleich fragen wird. Doch sie fragt nicht. „Eigentlich war ich schon am weg fahren. Aber nun bin ich doch noch einmal umgekehrt. Dieser Mann auf dem Fahrrad, der starrt sie an. Das war mir so unheimlich. Ich wollte Sie fragen, ob alles okay ist? Haben Sie ein Handy dabei?“

Nein, ich habe kein Handy dabei. Und plötzlich ist auch nichts mehr okay. Fieberhaft überlege ich, was ich nun tun soll. Denn zurück zu meiner Wohnung und dem Typen den richtigen Hauseingang zeigen, möchte ich auch nicht. Ich breche meinen Lauf ab und gehe stattdessen zum Einkaufsladen. Die Frau wartet im Auto, bis ich in der Sicherheit des Ladens verschwinde, erst dann höre ich, wie sie weiterfährt.

Im Laden treffe ich meinen Mann. Ich wusste, dass er einkaufen gehen wollte, bin aber doch erleichtert und überrascht, dass wir uns so ohne weiteres treffen. Jetzt fühle ich mich sicher.

Es ist nichts passiert. Ich weiß auch nicht ob überhaupt Gefahr bestand. Doch fest steht, dass ich nur zehn Minuten später auf den Feldern gewesen wäre, wo kaum Menschen sind. Beim Gedanken daran bekomme ich Angst und ich werde wütend. Wütend, dass mir ein wildfremder an einem Donnerstagmorgen bei Sonnenschein meine Freiheit so beschneiden kann.

Doch noch größer ist die Dankbarkeit. Ich habe mich zwar bei der Frau bedankt, aber ich verstehe den Satz nun etwas besser: „Ich kann ihnen gar nicht genug danken.“

Und weil ich sie nicht anrufen und ihr noch einmal danke sagen kann, mache ich das nun hier und stellvertretend an euch alle, die ihr zu dem gleichen Format wie diese junge Frau gehört:

Vielen Dank an alle, die nicht schulterzuckend weitergehen. Vielen Dank an alle, die aufmerksam sind und bereit sind sich einzumischen. Vielen Dank an alle, die nicht wegsehen, sondern Verantwortung übernehmen. Vielen Dank an alle, die mutig hinter ihren Überzeugungen stehen und sich für andere einsetzen. Ihr macht diese Welt zu einem besseren Ort.

Und noch ein persönliches Danke an Jesus. Danke, dass diese Frau da war. Danke, dass ich Achim in dem Laden gleich gefunden habe. Danke, dass du so gut auf mich aufpasst. Vielen, vielen Dank.

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