alltägliches,  Dankbarkeit

Ein kurzer Moment

Es ist ein warmer Novemberabend. Über 20 Grad. Verrückt. Die Sonne steht tief und wird gleicht untergehen. Ich nutze das restliche Licht und schlüpfe schnell noch nach draußen. Kinder spielen auf der Straße. Menschen sind mit ihren Haustieren unterwegs, überwiegend mit Hunden und Pferden (es ist ein Reitstall um die Ecke), eine Katze läuft treu hinter einem Mann her. Jogger kommen mir entgegen, in kurzen Hosen und kurzärmelig. Es ist viel los, hier auf den Feldern. Ich bin mit Schal und Jacke deutlich zu warm angezogen. Aber auf diese Weise kann ich das Sommergefühl noch auf ganz andere Weise zurückholen: ich schwitze.

Ein paar Kinder lassen in der untergehenden Sonne Drachen steigen. Während sie versuchen mit Schreien, Quietschen und Drohungen ihre Drachen oben zu halten, spielt sich am Horizont ein wunderbares Schauspiel ab. Die Wolken färben sich erst orange, dann pink, violett, blutrot.

Kurz friert das Bild ein. Wir alle bleiben stehen. Die Frau, die ihr Pferd ausführt, der Mann mit dem Dackel, die Jogger, wir Spaziergänger (nur die Katze nicht). Für einige Momente halten wir den Atem an, versinken in den Farben. Zücken Kamera oder Handys. Eine Frau streckt die Hand aus und es sieht so aus, als würde sie das Bild dort am Himmel berühren wollen. Es ist ein unwirklicher Moment.

Dann ist er vorbei. Der Bann löst sich und wir laufen weiter. Vielleicht war es auch nur in meinem Kopf. Vielleicht sind wir gar nicht stehen geblieben. Ich schiele zu der Frau, die ihre Hand sinken lässt. Vielleicht hat sie nur ihrem Sohn etwas zeigen wollen. Der Mann im Rapsfeld hat aber definitiv Fotos von dem Sonnenuntergang gemacht. Ich fürchte ich stand ihm mitten im Bild. ‚Tschuldigung.

Es wird jetzt schnell dunkel. Als ich zwischen den Streuobstwiesen und Gärten hindurchlaufe, riecht es nach Grill und nach Lagerfeuer. Fledermäuse schießen durch die Luft.

Ich bin dankbar. Dankbar für diese Farben. Für die stillen, wunderbaren, atemberaubenden Momente, die Gott uns jeden Tag vorbereitet und schenken will. Und dankbar, dass ich heute an diesem Moment nicht vorbei gerannt bin.

4 Comments

  • christina

    Oh ja, ich habe auch darüber gestaunt! Kam grade aus dem Kaufland raus und konnte es kaum fassen wie schön das aussah! Die meisten liefen achtlos zu ihren Autos. Am liebsten hätte ich laut gerufen: „Schaut doch mal zum Himmel!“ Hab`s aber doch gelassen. Und einfach gestaunt – und mich geärgert dass ich weder Handy noch Kamera dabei hatte. Und jetzt schreibst du darüber :-). Danke, dass du diesen Moment so toll festgehalten hast! Schick dir liebste Grüße!!!!

  • Annette

    Liebe Tine,
    als ich gerade deine Worte gelesen habe, sah ich nochmal den wunderschönen Abendhimmel vor mir. Danke für deine schöne Beschreibung! Und ich glaube, der Fotograf im Rapsfeld war mein Mann … Ich werde die Entschuldigung weiterleiten (wobei er sich mir gegenüber gar nicht beschwert hat, dass ihm jemand im Bild stand!). Liebe Grüße

    • Tine

      Hallo Annette!
      Ist nicht dein ernst! Ich lach hier grad Tränen. Danke, dass du die Entschuldigung weiter leitest. Auf jeden Fall waren seine Bilder, sofern er an mir vorbeifotografieren konnte, mit Sicherheit fantastisch. Ich fand auch die Idee mit dem Raps so gut. Aber dann hab ich mich nicht getraut auch in’s Rapsfeld zu gehen. Als erstes im Bild rumstehen und sich dann dahinter stellen und nachmachen…da hab ich mich dann doch zu sehr geschämt. 😀

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