Angst,  Gedankenflug

Einmal kurz ganz oben

Die Estherreihe wird weitergehen. Gerade arbeite ich am zweiten Teil und buddle nach Schätzen. Ein bisschen wird es noch dauern. Daher heute ein estherfreier Alltagstext, direkt und unzensiert aus meinem Kopf.

Ich bin völlig gelassen – für meine Verhältnisse. Um mich herum lachen, tippen, reden Menschen in verschiedenen Klangfarben, Sprachen und Dialekten. Es ist eine pulsierende Mischung aus hektischem Herumlaufen, wichtigen Gesichtern und gelangweiltem Warten. Durchsagen, verstörend verständlich, schallen durch die riesigen Hallen und informieren die Passagiere, dass ihr Flieger gleich ohne sie startet, wenn sie nicht endlich die Hufe in die Hand nehmen. (Die offizielle Formulierung ist netter). Der Rest der Reisenden möge bitte nicht einfach das Gepäck rumstehen lassen, weil man es sonst von Fachpersonal sprengen lassen wird. (Letzteres bleibt unausgesprochen.)
Es ist kurz nach 18 Uhr, ich sitze hinter einem Panoramafenster mit Blick auf die Startbahn. Meine Güte, bin ich gelassen. Die Flugangst versucht in mir hochzuklettern, aber mein Mann hat mich durch die Parfümabteilung geschickt und mich an allem riechen lassen was da rumstand. Jetzt ist mein Kopf so voll von Veilchen-, Citrus- und Sandelholznoten, dass ich schier nicht mehr geradeaus schauen kann, geschweige denn denken.

Ich versuche still mich mit Jesus zu unterhalten, aber das klappt auch nicht so richtig. So viel zum inneren Garten – ich finde mal wieder die Tür nicht. Vielleicht ist das wie mit jeder Meditation, man muss sie in Ruhe üben, damit sie im Stress funktioniert. Ich habe aber nicht geübt und jetzt funktioniert es nicht. Beten lernt man durch beten. So ein Ärger.

Nachdenken über Flugzeugabstürze geht hingegen sehr gut. Mein Kopf entwickelt auch sofort und wenig hilfreich Schlagzeilen: Flugzeug über Alpen verschollen. Aus bisher unbekannten Gründen stürze am Donnerstagabend ein Passagierflugzeug über den Alpen ab. Die Suche nach dem Wrack läuft, die Hoffnung noch Überlebende zu finden schwindet.
Na super. Ich werde nicht einfach nur abstürzen, sondern auch noch erfrieren. Und danach von einem alpinen Eisbären gefressen.

Wenig später steuern wir auf unseren Flieger zu. Ich war wohl doch nicht so gelassen, wie ich dachte, denn mein Mann sah sich genötigt mich nach der olfaktorischen Achterbahnfahrt nun mit Sekt aufzufüllen. Jetzt schiele ich selig und finde den Gedanken an alpine Eisbären eigentlich ganz nett. Oder Gnus. Alpengnus. Ich beginne mich in das Wort zu verlieben. Alpengnu. Beten geht irritierender Weise auch wieder, ich kann nur nicht mehr aufhören. Also texte ich innerlich Jesus zu und versuche ihn für die Idee des Alpengnus zu erwärmen.

Dann sind wir in der Luft. Und während wir auf die Alpen zufliegen, die Sonne immer tiefer sinkt und die Wolken unter uns zu einem wattigen Meer werden, finde ich es plötzlich gar nicht mehr so schlimm zu fliegen. Und auch gar nicht mehr notwendig Tiere zu erfinden oder ihnen neue Lebensräume anzudichten.
Es sieht wunderschön aus. Gott ist ein Künstler. Er ist Kreativität, Ästhetik, Erfindungsreichtum.
Schließlich kommt mir der Gedanke, dass man manchmal gar keinen inneren Garten braucht. Manchmal braucht man nur Augen und einen Moment der Stille.

Naja, so still wie es in einem Flugzeug halt ist.

Über den Alpen

One Comment

  • Magdalena Müller

    Hallo,
    ich finde Dein Foto welches aus dem Flugzeug aufgenommen wurde richtig, richtig klasse!!
    Total schöne Aufnahme!!
    Die unterschiedlichen Grau-Schattierungen mit den
    Bergspitzen heben sich sehr gut ab!
    Kompliment!!

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