alltägliches

Nicht-Gäste in meiner Wohnung

„Einmal geradeaus durch und dann rechts.“ Ich lächle gezwungen, während ich die fremden Männer in meine Wohnung lasse. Ich hasse Handwerker.

Also, ich hasse natürlich nicht diese speziellen Männer und auch nicht den Beruf. Denn wenn ich ehrlich bin, sind sie meine Helden. Alle. Gemeinsam mit unserem Hausmeister. Die Leute können Sachen tun, die ich nicht kann. Gut, das trifft auf sehr viele Menschen zu. Aber Handwerker können Dinge tun, die mein Leben verbessern. Wie zum Beispiel Küchen einbauen, WC-Spülungen reparieren oder – wie heute – eine Markise im zehnten Stock anbringen.

Eigentlich habe ich gerne Gäste in meiner Wohnung. Ich mag es Gastgeberin zu spielen, Menschen zu verwöhnen, Gesprächen zu lauschen und am Ende eines Abends die Tür wieder hinter den Besuchern zu schließen. Ja, ich hab’s gern, wenn Menschen wieder gehen, denn meine Wohnung ist mein Rückzugsort und es stresst mich, wenn ich morgens zu meinem Sessel geschlufft komme und da schon jemand sitzt. Ich wäre definitiv kein WG-Mensch.

Nur sind Handwerker aber keine Gäste. Sie sind auch keine Mitbewohner. Ihr Status bleibt ungeklärt. Und weil er innerhalb meiner Wohnung ungeklärt bleibt, bleibe ich hibbelig.

Über mein Philosophieren, habe ich meine Nicht-Gäste aus den Augen verloren. Ich finde sie auf dem Balkon, wo sie ihren Arbeitsplatz besichtigen. Hektisch überlege ich, ob ich ihnen etwas zu Trinken anbieten sollte. Ab wann darf man was anbieten ohne die Leute zu stressen und ohne sie zu vernachlässigen? Erst mal warten, bis sie ihre Köfferchen abgestellt haben? Und was bietet man an? Oh nein, ich hab nur Wasser. Aus der Leitung. Wie peinlich, ich hab nicht dran gedacht etwas anständiges zu kaufen. Dabei steht der Termin seit drei Wochen.

Und zu Essen habe ich auch nichts da. Hoffentlich haben die beiden keinen Hunger. Es ist kurz nach zwölf Uhr Mittag. Die haben bestimmt Hunger! Immerhin arbeiten die körperlich hart. Aber ich kann ja jetzt schlecht anfangen zu kochen. Außerdem kommt es mir seltsam vor gemeinsam mit den beiden Fremden am Tisch zu sitzen und zu Mittag zu essen. Nein, das geht nicht.

Am besten ich bestelle Pizza. Die kann man auch im Stehen essen, das geht.

Nachdem man mir freundlich mitgeteilt hat, dass meine Anwesenheit vorerst nicht mehr gebraucht wird und nichts zu Essen benötigt wird („Nein, auch keine Pizza. Und Kuchen auch nicht, danke. Nein, kein Kaffee. Wasser, gerne, ja. Mit Kohlensäure…ach, naja, dann ohne.“), verdrücke ich mich dankbar in den hinteren Teil der Wohnung, wo ich mich erstmal sammle. Auf dem Boden sitzend, neben dem Bett. Wenn ich lange genug hier sitze und mich still verhalte, vergessen sie vielleicht, dass ich da bin und irgendetwas tun müsste, was von mir als Nicht-Gastgeberin erwartet werden könnte.

Die Minuten verstreichen gähnend langsam. Ich vertreibe mir die Zeit damit auf meinem Handy zu googeln, wie viel Trinkgeld man gibt. Die Spanne reicht von Nichts bis hin zum knapp noch zweistelligen Betrag. Nicht hilfreich. Einmal traue ich mich noch auf den Balkon, stelle einen frischen Krug mit Wasser hin, beschreibe kurz wo die Toilette ist („Die Tür an der Stirnseite des Flurs.“) und verschwinde dann schnell wieder in mein Eck.

Jesus war Zimmermann. Ob sich seine Auftraggeber auch im hinteren Teil des Hauses versteckt haben, wenn er vorne den Türrahmen abgeschliffen hat? Musste er deswegen seinen Beruf aufgeben, bevor er seine Lehrtätigkeit begonnen hat, weil jeder sich vor ihm versteckt hat? Nein, bestimmt hat Jesus in seiner Handwerkerzeit zu Hause gearbeitet und die Sachen dann nur vorbei gebracht. Wie angenehm.

Immer wieder lausche ich in Richtung Balkon. Keiner flucht laut und es sind noch zwei verschiedene Stimmen. Das heißt es ist noch keiner abgestürzt und auch sonst noch nichts schlimmes passiert. Sehr gut. Es läuft doch. Ich versuche mit Atemübungen gegen meine verschwitzten Hände anzugehen.

Dann endlich höre ich das erlösende Geräusch – den Schlüssel im Schloss und die vertrauten Schritte meines Mannes. Gott sei Dank, die Kavallerie. Ich stehe mit etwas steifen Knochen auf, immerhin hocke ich seit vier Stunden hier.
Mein Mann übernimmt den Rest. Die Übergabe, das Trinkgeld, das Händeschütteln, das herzliche Lachen und das Türe hinter den Nicht-Gästen zumachen.

Ich lasse mich erschöpft in meinen Sessel fallen.

„So ein Nachmittag voller schwerer handwerklicher Tätigkeiten ist ein Kraftakt, ich sag’s dir. Erst mal keine Renovierungsarbeiten mehr.“, seufze ich matt. In seinem Blick liegt Unverständnis. Aber ich bin zu müde es zu erklären.

3 Comments

  • Christina

    Haha, genau so geht’s mir auch Tine!!! Irgendein berühmter Schriftsteller hat Mal gesagt: wir schreiben um einander zu sagen, dass wir nicht alleine sind.
    Genau das spüre ich immer wenn ich bei dir lese. Danke. Ich umarme dich aus der Ferne und freue mich auf unser Lagerfeuer….

  • Becks

    Ich verstehe euch eigentlich überhaupt kein bisschen. Völlig fremde Welt. Aber dank euch lerne ich meinen Liebsten immer besser verstehen. Danke… ❤️
    🙄

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