alltägliches,  Gedankenflug

Alte Stimmen

Die Wohnung könnte sauberer sein.
Der Blogartikel ist irgendwie nicht gut genug.
Wäre ich eine echte Freundin, würde ich mich viel öfter melden.
Meine Gedanken schweifen schon wieder ab; als treue Mitarbeiterin sollte ich mehr bei der Sache sein.
Ich sollte meinen Mann mehr im Gebet unterstützen.
Überhaupt könnte ich mehr beten.

Solche Gedanken begleiten mich. Oft sind sie nicht ausformuliert, sondern hängen als vage Gefühle in meinem Kopf. Ein ungemütlicher Drang, der es mir schwer macht mit mir zufrieden zu sein.

Hinter all dem stehen Stimmen. Stimmen aus meiner Vergangenheit oder Gegenwart. Diese Stimmen sagen, dass ich etwas leisten muss, damit die Menschen und auch Gott mich lieben können. Damit sie glücklich sind, stolz auf mich und sich mir liebevoll zuwenden. Wenn ich nur fleißig, nett, zuverlässig und zuvorkommend genug bin, dann…ja…was dann…? Dann wäre mir die Liebe sicher. Ich hätte sie mir verdient. Menschen könnten sich zwar immer noch abwenden, aber Gott ist gerecht. Wenn ich so perfekt bin, dann kann er gar nicht anders als mich lieben.

Ich weiß, dass es nicht stimmt. Gottes Liebe ist bedingungslos. Buchstäblich. Es gibt kein wenn-dann bei Gottes Liebe.
Es ist schon erstaunlich, wie klar mir die Theorie im Kopf ist – und wie wenig dieses Wissen im Alltag das Ruder übernimmt. Ich habe mich über Jahrzehnte so sehr an meine inneren Stimmen gewöhnt, die nach Perfektion rufen, dass ich reflexartig reagiere, sobald eine den Mund aufmacht.
Was mich beruhigt ist, dass dieses ‚Zucken‘ eine absolut menschliche Regung zu sein scheint.

Adenauer hat gesagt: „Die Krankheit unserer Zeit ist der Perfektionismus.“

Und Paulus schreibt an die Gemeinden in Galatien: Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleisch vollenden? (Gal. 3,3)

Die Galater hatten das Geschenk von Gottes Liebe angenommen und ausgepackt, hatten sich gefreut. Und merkten nun wie schwer es war im Alltag damit zu leben. Alles geschenkt? Ohne Gegenleistung?

Aber da gab es eine Lösung, die eifrige Stimmen sofort einflüsterten: ihr müsst euch beschneiden lassen, erst dann gehört ihr richtig dazu. Ihr dürft bestimmte Dinge nicht essen, das mag Gott nicht; wenn ihr sie esst, verliert ihr Gotte Liebe. Ihr müsst stattdessen folgendes tun…und ihr dürft dieses und jenes nicht mehr tun…“
Nach und nach schlichen sich Gesetze ein. Eine Wenn-dann-Liebe, die viel leichter zu akzeptieren ist, als die bedingungslose Liebe eines Vater zu seinem Kind.

Ich kann die Galater gut verstehen. Das Gefühl mir Gottes Liebe zu erarbeiten…das kenne ich gut. Doch die Bibel verspricht uns, dass wir geliebt sind. Völlig und ausschließlich, weil Gott es beschlossen hat.

Eine gewisse Lebensführung gehört dazu, wenn man Christ wird. Nach und nach verändert sich unser Verhalten. Aber das tut es, weil wir von Jesus geprägt werden und weil wir ihn lieben. Nicht, damit er uns lieben kann. Das ist ein riesen Unterschied.

Ich möchte die Lügenstimmen in meinem Kopf entlarven, die mir einflüstern, dass ich nur liebenswert bin, wenn ich alles richtig und bestmöglich mache. Ich möchte mich stattdessen in Gottes Liebe fallen lassen, auch und gerade dann, wenn ich nichts liebenswertes an mir finde. Denn schließlich kennt mich Gott und wusste vorher auf was er sich einlässt, als er mich in seine Familie geholt hat.

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