Dankbarkeit,  Liste

Erntedank

Ich wurde an einem Erntedanksonntag geboren. Morgens um halb zehn, als die Glocken der Kirche neben dem Krankenhaus anfingen zu läuten. Mama sagte immer, das sei Absicht gewesen. Was ich ihr nie so ganz glaubte, da zwölf Stunden Wehen bestimmt nicht mit Absicht passieren. Aber dass sie trotzdem darauf bestand, fand ich schön.

Erntedank ist für mich ein wichtiges Fest geblieben. Auch wenn es inzwischen keine Tradition in meiner kleinen Familie mehr hat und auch meine Umgebung es nicht feiert. Aber in vielen Kirchen und Gemeinden wird es noch gefeiert. Und ab und zu schaue ich heimlich in fremde Kirchen (sofern sie nicht abgeschlossen sind) und freue mich. Ich finde es unglaublich schön, wenn die Kirchen mit Früchten und Getreide dekoriert werden. Wenn Menschen sich erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir frische Früchte, Getreide, Nüsse oder Salate in unseren Küchen haben. Dass Gras wächst und die Tiere ernährt.

Auf meinem Balkon ist dieses Jahr nichts gewachsen (aber ich habe erfolgreich mehrere Basilikum- und Petersilienstöcke zu Tode gepflegt). Dem entsprechend wäre es für mich schwierig etwas selbst angebautes zu opfern. Aber die Bibel hat für Menschen wie mich einen Ausweg. Sie sagt: „Opfere Gott Dank.“ (Psalm 50,14). Und das möchte ich tun.

  • Ich danke dir Gott, für meine Familie und meine Freunde und all die wundervollen Menschen, mit denen du mich zusammen gestellt hast.
  • Ich danke dir, dass ich dich kennen und immer besser kennen lernen darf. Danke, dass du mich nicht fallen lässt, sondern geduldig mit mir gehst. Danke, dass du auf dem richtigen Weg auf mich wartest, wenn ich mal wieder Kurven drehe. Und mir hinterher läufst, wenn ich zu weit abirre.
  • Ich danke dir, dass ich eine Wohnung habe, in der ich sicher und warm leben darf.
  • Ich danke dir, dass ich auf dem Markt und in Läden alles kaufen kann, was ich zum Leben brauche (und vieles mehr), auch wenn ich selbst nichts fruchtiges zum Wachsen bringe.
  • Danke für die vielen schönen Sommerstunden dieses Jahr, für die lauen Nächte, das Lachen und das Schweigen. Danke, dass es Hängematten gibt und grüne Blätter in Obstbäumen.
  • Danke, dass ich mit all meinen Sorgen zu dir kommen kann. Danke, dass du dich um meine Lieben kümmerst und ich alles was mich auch für sie bedrückt in deine Hände legen darf.
  • Danke, dass du die Welt gerettet hast. Und mich.
  • Danke für die Gespräche, die Gebete und Gemeinschaft, die ich in diesem Jahr erfahren durfte.

Es gäbe noch so viel mehr. Aber der Bauer schleppt ja auch nicht sein ganzes Feld in die Kirche. Jetzt, nach ein paar Minuten danken, fühle ich mich seltsam leicht. Glücklich. Ruhig. …Dankbar eben. Es ist ein schönes Gefühl.
Und einmal mehr frage ich mich, ob Gott das mit Dankbarkeit opfern eigentlich mehr für sich oder doch eher für uns in die Bibel geschrieben hat. Aber vielleicht ist es ja gar kein oder.

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