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Winterpo auf Frühlingssteinen

Es sieht aus als hätte es geschneit. Oder als wären in den Bäumen sehr große Kissen explodiert. Die Obstbäume stehen in weißer Blüte. Und ein paar andere Buschbäume auch, von denen ich aber keine Ahnung habe, was sie sind. Nur, dass sie wunderschön sind, das sehe ich. Der Boden ist längst nicht mehr nur von Frühlingsblühern bedeckt, sondern auch von Gänseblümchen. Und der kleine Bach unter meinen Füßen gluckst fröhlich vor sich hin. Eigentlich hatte ich vor die Füße rein zu hängen. Aber der große Zeh, der zum Testen herhalten musste, signalisierte Erfrierungstod. Daher sitze ich nun hier, auf von der Märzsonne angewärmten Steinen, bar- aber trockenfüßig und habe die Augen geschlossen. Um mich herum tobt das Leben. Vögel zwitschern, beim 23. Schmetterling habe ich aufgehört zu zählen (zumal ich mir nicht sicher war, wie oft ich den gleichen erwischt habe).

Seit mehreren Stunden habe ich keinen Menschen mehr gesehen. Das kleine Bachtal ist abgelegen und das Privileg unter der Woche an einem Vormittag hierher kommen zu können, haben nicht viele.

Der Frühling ist da. Ich kann es noch nicht wirklich glauben. Hier im Süden, kommt er früh. In Oberfranken, dort wo ich aufgewachsen bin, braucht man vor den Eisheiligen (also Mitte Mai), nicht mit dauerhaft wärmeren Temperaturen zu rechnen. Ich erinnere mich an so manches Osterfest, das wir mit bunten Eiern im weißen Garten gefeiert haben. Auf diese Weise hab ich aber wenigstens auch mal ein paar Eier gefunden, war also gar nicht so schlecht.

Dennoch genieße ich die warme Sonne in meinem Gesicht, den warmen Stein unter meinem Po und das Leben in mir und um mich herum. Wie jedes Jahr, wenn die ersten Sonnenstrahlen kräftiger werden und die Natur beginnt darauf zu reagieren, schwanke ich zwischen Freude und Angst. Freude, weil es endlich, endlich wieder beginnt zu leben. Angst, weil es keine Garantie gibt, dass der Winter nicht doch noch einmal zurück kommt.

Auch innerlich geht es mir gerade so. Das Chaos der letzten Monate beruhigt sich nur langsam. Worte fallen mir schwer und Gedankengänge zu Ende zu denken ebenfalls. Aber gleichzeitig schieben sich die ersten Ideen wie zarte Triebe zurück in mein Bewusstsein. Noch halte ich still, aus Angst, ich könnte sie verschrecken. Oder mich zu sehr darüber freuen und die Enttäuschung nicht aushalten, wenn doch noch einmal der Frost kommt.

Manchmal glaube ich, dass Gott uns auch deswegen die Jahreszeiten gegeben hat, damit wir verstehen lernen, dass sich das Leben in wiederkehrenden Kreisen bewegt. Niemand lebt ständig im Sommer. Und ein Winter dauert nicht ewig, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Umbrüche und Wechsel sind notwendig, manchmal beängstigend, manchmal inspirierend.

Ich öffne die Augen und kann gerade noch einen Zitronenfalter sehen, der aus meinem Blickfeld flattert.
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Doch, ich glaube es wird Frühling.

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